Interessant ist, dass alle Netzbetreiber international grundsätzlich denselben Ansatz der Netztopologie verfolgen. Wir sehen überall eine Netzstruktur, die Makrozellen, also die bekannten und gut sichtbaren Antennen, mit Kleinzellen kombiniert. Die Aufgabe der Kleinzellen ist es, im Netz punktuell zusätzliche Kapazität bereitzustellen, dort wo Makrozellen den Bedarf nicht ausreichend decken können. Unsere Simulation zusammen mit den Experten aus Sankt Gallen zeigt, dass unsere Netzausbau-Strategie richtig ist. Wir gehen zwar davon aus, dass Kleinzellen künftig etwas mehr Gewicht erhalten werden, aber ein reines Kleinzellennetz würde gewichtige Nachteile mit sich bringen. Eine schlechtere Versorgung von Innenräumen, grössere Störungsanfälligkeit und massiv höhere Kosten sowie Ungewissheiten in der Umsetzung und Weiterentwicklung wären die Folge davon.
Vorab: Diese "Strahlung" sind elektromagnetische Felder, welche die Informationen übermitteln. Also zu 100% ein Nutzsignal und kein unerwünschtes Sekundärprodukt. In der Schweiz haben wir Grenzwerte, die diese Felder sehr stark begrenzen. Und diese müssen immer und überall und von jeder Netzstruktur eingehalten werden.
Die Literatur sagt, dass ein reines Kleinzellennetz für Nutzende auf bereits sehr tiefem Niveau nochmals etwas tiefere Immissionen zur Folge haben könnte. Es ist aber zu beachten, dass mit einem reinen Kleinzellennetz im Innenraum mit wesentlich schlechterer Versorgung zu rechnen ist. Dies führt beim Nutzer wiederum zu einer höheren Exposition, weil das eigene Gerät dadurch stärker senden muss. Für Nichtnutzende steigt die mittlere Exposition in einem reinen Kleinzellennetz sogar leicht an. Unserer Simulation hat deshalb weiterführende Fragen rund um die Immissionsthematik nicht abgeklärt. Es ging in erster Linie um die technische Machbarkeit und die wirtschaftliche Tragbarkeit.
Um eine Netzabdeckung von 99.1 Prozent in der Sankt Galler Innenstadt zu erreichen, wie wir das als Swisscom unseren Kundinnen und Kunden gegenüber auch andernorts anbieten, werden im untersuchten Gebiet pro Mobilfunkbetreiber im optimalen Fall mindestens 166 Kleinzellen benötigt. Und das wäre einzig für 5G. Heute reichen für die Abdeckung desselben Gebietes und die Erbringung von Mobilfunkdienstleistungen auf den Technologien 2G, 3G und 4G zusammen lediglich 12 Standorte mit herkömmlichen Makrozellen. Das bedeutet finanziell: Ein reines Kleinzellennetz würde massiv teurer werden als ein konventionelles, hybrides Netz. Wenn zusätzlich die Qualität und die Umsetzung inklusive Bewilligungsfähigkeit und Antennenpositionierung berücksichtigt werden, so ist eine Umsetzung nicht realistisch. Es würde zu Versorgungslücken analog eines Löcherteppichs. Neue Technologiefeatures wie adaptive Antennen, Beamforming oder auch Carrier-Aggregation sind auf Kleinzellenbasis nur sehr beschränkt oder überhaupt nicht realisierbar. In Sachen Leistungsfähigkeit hinkt deshalb ein solches Netz dem heutigen hybriden Ansatz massiv hinterher. Um diesen technischen Rückstand wieder aufzuholen und diese Löcher zu füllen, müssten wiederum zusätzliche Makrostandorte geplant werden. Wobei wir letztlich wieder beim hybriden Netz, also der heutigen Situation, angekommen wären. Dies aber mit mehreren Jahren Verzögerung.
Eine Folge wäre eine deutlich schlechtere Versorgung mit Mobilfunk in Innenräumen, insbesondere bei mehrstöckigen Gebäuden. Kellergeschosse blieben fast gänzlich von der Aussenwelt abgeschnitten. Interessanterweise werden aber Handys und Smartphones in Wohnungen und Büros – also im Innenbereich von Gebäuden - sogar weit häufiger genutzt als draussen. Für unsere Kundinnen und Kunden würde dies also eine beträchtliche Einschränkung mit sich bringen. Outdoor wäre mit punktuellen Versorgungslücken zu rechnen und die Kundinnen und Kunden bekämen täglich Kapazitätsengpässe zu spüren. Wichtig ist auch das Thema Stabilität - ein Kleinzellennetz ist störungsanfälliger. Dabei haben gerade die letzten Monate gezeigt, wie wichtig stabile Netze für eine funktionierende Gesellschaft sind.
Die Kosten spielen auch eine Rolle. Als wirtschaftlich orientiertes Unternehmen ist es aber ebenso unsere Pflicht, den Kundinnen und Kunden bestmögliche Dienstleitungen – selbstverständlich unter Einhaltung aller gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen – anzubieten. Als Swisscom müssen wir hier unsere Verpflichtung wahrnehmen und aufzeigen, dass eine unbedeutende Verbesserung einzig mit enorm viel höheren Kosten einhergehen würde. Das gehört auch in unsere Verantwortung und ebenso zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens.
Für den Aufbau eines Kleinzellennetzes ist es notwendig, eine grosse Anzahl an Kleinzellen zu bauen. Dies kostet sowohl in Aufbau wie im Betrieb wesentlich mehr, wie bereits erwähnt. Wir erhielten in der Kalkulation eine Verteuerung um Faktoren zwischen 2.8 bis 4. Das bedeutet konkret: Mehr Kosten für ein Netz, welches den Kunden ein schlechteres Erlebnis bringt. Es kommt eben nicht von ungefähr, dass sich bisher kein einziger Provider weltweit für ein reines Kleinzellennetz entschieden hat.
Die Stadt St. Gallen tritt seit Jahren als engagierter Akteur rund um nachhaltige Stadtentwicklung auf und engagiert sich unter anderem für eine gute und innovativ ausgestaltete Kommunikationsinfrastruktur. Qualitativ hochwertig, schnell, verlässlich, bedarfsgerecht und immissionsarm soll diese sein. Bezüglich des letztgenannten Kriteriums ist Swisscom der Ansicht, dass Mobilfunk in der Schweiz a priori "immissionsarm" betrieben wird, dies aufgrund der strengen Grenzwerte hierzulande. Weitere Bestrebungen in dieser Hinsicht hätten technische Einschränkungen zur Folge und wären nicht durch Resultate der Gesundheitsforschung gerechtfertigt.
Das public WLAN der Stadt St. Gallen, welches Teile des Stadtkerns mit Internet versorgt, erlangte schweizweite Aufmerksamkeit und wurde vielerorts als "smarte" Lösung zur Bewältigung der steigenden Datenmengen gesehen. Eine fast unsichtbare Integration ins Stadtbild und schwache Sendeleistungen mit tiefen Immissionen wurden als Gründe für den kleinzelligen Netzansatz genannt.
Dass Mobilfunk deutlich höhere Anforderungen in Sachen Qualität und Leistungsfähigkeit als WLAN bedingt, wurde lange ausgeblendet und so wurde das "Wireless St. Gallen" rasch als Musterlösung für zukunftsgerichteten Mobilfunk genannt. Vergessen ging dabei oft, dass es sich nach wie vor um ein blosses WLAN-Netz handelte und keine Mobilfunkdienstleistung. Funktionalitäten wie Laststeuerung, Handover, Fallback, etc. sind auf WLAN-Technologie nur sehr begrenzt oder gar nicht möglich.
Das Konzept schien umso populärer zu werden, als im Parlament zweimal hauchdünn abgelehnt wurde, die hierzulande vorsorglichen Grenzwerte moderat zu lockern, so dass zukünftige Technologien auch auf bestehenden Standorten ausgebaut werden können. Das "smarte" Kleinzellennetz aus der Ostschweiz wurde zunehmend auch in den Köpfen vieler Politiker und sogar bis hin zu den Bundesbehörden eine realistische Alternative zu höheren Grenzwerten.
Vergangenes Jahr stiegen Swisscom und die Stadt St. Gallen schliesslich in ein gemeinsames Projekt ein, worin Fakten geschaffen werden sollten. Fakten, welche technisch gut abgestützt und objektiv nachvollzogen werden können. Im Rahmen des gemeinsamen Evaluationsprojekts galt es also aufzuzeigen, welche Vor- und Nachteile eine mit Kleinzellen priorisierte Netzstruktur im Gegensatz zur herkömmlichen Vorgehensweise im Netzbau aufweist. Dabei sollten insbesondere die technische Machbarkeit sowie Erstellungs- und Betriebskosten im Vordergrund stehen.
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