Leiter Products & Marketing über Replay TV

«Replay bringt das Fernsehen in die Zukunft.»

Fernsehen ist in der Schweiz schon seit Jahren keine Frage der Zeit mehr: Replay macht alle Sendungen zu jeder Zeit zugänglich. Doch wie wirkt sich das auf das Fernsehen an sich aus? Und wie gehen die Zuschauer damit um? Dirk Wierzbitzki, Produkte-Chef und Mitglied der Konzernleitung von Swisscom sieht darin den Schlüssel zur Zukunft des Mediums Fernsehen.

Dirk Wierzbitzki, wie steht es eigentlich um die Beliebtheit bei den Kunden von Replay. Ist es primär eine Sache der Jungen?

(lacht) Das ist der wohl grösste Irrtum überhaupt. Nein, es ist eine Form der Nutzung, die sich quer durch alle Altersgruppen etabliert hat. Denn man muss dazu zuerst einmal erklären, was wir tun: Das klassische Fernsehen funktioniert wie ein Förderband. Ich kann nur gerade konsumieren, was an mir vorbeiläuft. Mit Replay ermöglichen wird ganz einfach, das Programm sieben Tage weit zurück zu spulen. Wir schaffen also zusätzlich zum Förderband einen Pool, der auf Kundenwunsch alles sammelt und während einer Woche ganz flexibel zugänglich macht. Die Arena ist dann nicht mehr nur verfügbar von Freitag 22.20 bis 23.45 Uhr. Sondern ab Freitag, 22.20 Uhr eine Woche lang, rund um die Uhr. Zu jeder Zeit. Es ist also, als ob wir für jeden Sender einen Videorecorder aufstellen, der auf Kundenwunsch rund um die Uhr aufzeichnet. Früher stand das Gerät beim Kunden und er musste im Vorfeld die Aufnahme planen. Dies macht Fernsehen attraktiv und entspricht einem grossen Kundenbedürfnis, dann zu schauen, wenn ich Zeit habe.

Viele Sender sehen das nicht so gerne.

Vielleicht auch nur, weil sie übersehen, dass wir nichts verändern oder wegnehmen. Wir erweitern und verbreitern. Dank Replay sind die Fernsehinhalte für die breite Bevölkerung viel besser zugänglich und werden damit auch besser genutzt. Denn es ist doch so: Unsere Mediennutzung hat sich in den letzten 10-15 Jahren völlig verändert. Musik gibt’s auf Abruf. Videos gibt’s auf Abruf. News gibt’s auf Abruf. Nur fürs Fernsehen soll man nach wie vor den Wecker stellen oder das Nachtessen mit der Familie unterbrechen? Das ist nichts weniger als eine Erinnerung an eine vergangene Zeit. Darum haben wir als Unternehmen – wie übrigens auch unsere Konkurrenten – schon früh erkannt, dass wir irgendetwas tun müssen. Wir sagten uns: Die Zuschauer haben sich verändert, die Inhalte haben sich verändert – also unterstützen wir die Sender dabei, auch unter diesen veränderten Ansprüchen ihr Publikum zu finden. Und das haben wir getan. Wir haben ein System entwickelt, das – sobald es der Kunde aktiviert – das komplette Programm der meisten Sender während den letzten 7 Tagen zur Verfügung stellt. Egal ob eine Sendung nachts um 3 oder abends um 8 Uhr läuft.

Und dafür besteht ein Bedürfnis?

Ja, denn in den letzten sieben Jahren hat sich das Fernsehverhalten bei einem grossen Teil der Bevölkerung verändert. Denken wir an Angebote wie YouTube und Netflix. Vor sieben Jahren war das tatsächlich nur eine Sache der jungen Generation. Unterdessen ist beides auch ein Teil des Fernsehens. Man kann gar von einer Revolution des Kundenbedürfnisses sprechen. Mit Replay haben wir das klassische Fernsehen konkurrenzfähig gemacht. Wir haben ein komplettes Menu rund um die einzelnen Sendungen aufgebaut, das weit über das reine "Zurückspulen" hinausgeht. Mit Suchfunktionen etwa – geschrieben oder gesprochen, sogar in Dialekt – ermöglichen wir es ganz leicht das komplette Angebot zur durchsuchen. Nach Sendungsname, nach Sendername, nach Thema, nach Personen, nach Sparte. Das alles beflügelt den Konsum. Wer sich erinnert: Noch vor Jahren hörte man oft das Argument – "gute Sendungen laufen immer zur falschen Zeit" und "ich finde die Inhalte nicht". Diese individuell logischerweise sehr unterschiedliche Problematik hat Replay und unsere neue Präsentation der Inhalte nun beendet.

Eine verpasste Sendung bis zu 7 Tage später noch anschauen: Replay wird unter anderem über den TV-Guide genutzt.

Hier könnte man entgegenhalten: Das sollte die Entscheidung jedes einzelnen Senders sein, ob er Replay anbieten will.

Ja, aber genau dann bricht das ganze System in sich zusammen. Denn nur die geltenden Bestimmungen machten diesen kreativen Ideenwettbewerb überhaupt erst möglich und brachten den Schweizer Zuschauern eines der modernsten Angebote der Welt. In allen anderen Ländern, in denen mit jedem Sender einzeln verhandelt werden muss, ist man nicht annähernd so weit. Denn in der Praxis ist so eine Lösung administrativ nicht umsetzbar. Sie führt zu einem Papierkrieg, bevorzugt die grossen internationalen Rechteinhaber und führt am Ende zu einer löchrigen Lösung, die den Zuschauer vergrault.

Darum glaube ich: Wir haben heute in der Schweiz eine faire Lösung, bei der wir Provider insgesamt jährlich über 120 Millionen Franken an Abgaben bezahlen fürs Live-TV und Replay. In Deutschland zum Beispiel müssen die Sender Replay selbst organisieren, aufbereiten und erst noch für ihre Aufschaltung in den Kabelnetzen bezahlen. Die Folge: Jeder Sender kocht sein eigenes Süppchen, der Zuschauer verliert die Übersicht und am Ende verlieren alle, heisst der Zuschauer wandert zu anderen Angeboten ab. Das jeder Sender selbst sein eigenes Replay organisieren kann, klingt in der Theorie überzeugend – funktioniert aber in der Praxis nicht, das zeigt die aktuelle Situation in Deutschland ganz exemplarisch. Die Folge davon: Der Zuschauer wendet sich vom klassischen Fernsehen ab und konsumiert stattdessen noch mehr Netflix, YouTube und andere Streamingdienste, die ihm eben genau diese zeitversetzte Nutzung bieten.

Schlägt sich das auch im Werbemarkt nieder?

Ja, wenn wir gerade bei diesem Vergleich bleiben: In Deutschland stagnieren die Werbeeinnahmen der Sender. In der Schweiz sind sie im Vergleich zum Zeitraum vor der Einführung von Replay spürbar gestiegen. Nur die Online-Werbung legt auch noch zu – alle anderen Werbeformen verlieren. Ich bin darum überzeugt: Replay hat gerade im richtigen Moment dem Fernsehen zu einem zukunftsfähigen Modell verholfen. Denn ohne Zuschauer gibt’s auch keine Werbeeinnahmen.

Aber mit Replay lässt sich ja auch Werbung überspulen.

Gegenfrage: Würde man ohne Replay mehr Werbung ansehen? Würde man ohne Replay die Sendung überhaupt ansehen? Die ganze Diskussion erinnert mich an den Anfang der 80er, als die Filmindustrie das Mitschneiden von Fernsehfilmen verbieten wollte vor dem obersten US-Gerichtshof. Das scheiterte, der Videorecorder setzte sich durch und diese Tatsache bescherte den Filmstudios goldene Jahre; weil nämlich der Konsument weiterhin gut gemachte Programme honorierte und gut gemachte Werbung konsumierte.
Ich sehe darum auch Replay nicht als Risiko, sondern als Chance. Gerade die Schweizer Privatsender haben ja auch in den letzten 11 Jahren seit Inkrafttreten des damals neuen RTVG gezielt erweiterte Werbeformen aufgebaut, etwa Produktplatzierungen oder Werbeflächen, die direkt in die Sendung eingebaut werden. Diese gelockerten Regelungen betrafen vor allem private Schweizer Anbieter – und heute sehen wir in der Werbestatistik auch, dass sie es sind, die überproportional Werbeeinahmen gewinnen.

Dann könnte also Replay den TV-Markt sogar stimulieren?

Das tut es schon, wie wir gerade mit Blick auf die steigenden Werbeeinnahmen in der Schweiz feststellen. Und es schlägt sich auch in der Quote nieder, da hierzulande ja die Nutzung bis 7 Tage nach der Ausstrahlung aufsummiert wird seit einigen Jahren. Replay ist darum ein Zukunftsmodell, das es dem Fernsehen ermöglicht, ohne Medienbruch beides zu tun – weiterhin linear auszustrahlen und gleichzeitig non-linear verfügbar zu sein. Ohne investieren zu müssen, ohne eine Zweitmarke aufzubauen, ohne sich an einen internationalen Videogiganten zu binden. Genau das schätzt auch der Zuschauer, der sich inzwischen daran gewöhnt hat – und dem Fernsehen in der Schweiz darum weiterhin eine bevorzugte Stellung einräumt. Hätte er diesen Komfort nicht mehr, wird dies eine Kettenreaktion auslösen: Die Zuschauer verabschieden sich, gerade Schweizer Sender werden geschwächt und am Ende gewinnen grosse internationale Content Anbieter. Denn die Zeit liess sich bei der Mediennutzung noch nie zurückdrehen. Die Zuschauer werden einen Rückschritt nicht akzeptieren und ihre eigenen Konsequenzen daraus ziehen.

Und dann kommt noch etwas anderes dazu: Mit Replay hat sich der Zuschauer daran gewöhnt, nicht mehr einfach nur zu zappen. Er interagiert mit dem Bildschirm und das macht es möglich, auf diesem auch interaktive Werbeformen anzubieten. Auch dafür haben wir die notwendigen Technologien in den letzten Jahren eingeführt, ein Beispiel ist der Teletext-Nachfolger HbbTV oder die Schaffung eines Schweizer TV-App-Stores. Wenn das Fernsehen in diesen Bereichen die Chancen nutzt, dann können sie nicht nur ein ganz neues Erlebnis schaffen – sondern sich auch ganz neue Möglichkeiten für Zusatzeinnahmen erschliessen.

Zur Person

Dirk Wierzbitzki, 53, leitet seit 2016 den Geschäftsbereich Products & Marketing bei Swisscom. Seit 2016 ist er Mitglied der Konzernleitung.

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