Leiter IT, Network & Infrastruktur zum Netztest

«Unser Mobilfunknetz ist Weltklasse – davon profitieren unsere Kunden»

Swisscom gewinnt den umfangreichen Mobilfunknetztest der Fachzeitschrift connect mit überragender Auszeichnung und teilt sich den Sieg punktgleich mit Sunrise. Beide Mobilfunkanbieter haben in diesem Jahr zudem das beste Resultat erzielt, welches connect weltweit je gemessen hat. Im Interview spricht Heinz Herren, CIO und CTO Swisscom, über Tests, die erschwerten Rahmenbedingungen im mobilen Netzausbau sowie 5G.

Heinz Herren, Swisscom hat den connect Netztest gewonnen, muss sich diesen Sieg aber mit Sunrise teilen. Unterscheiden sich die Mobilfunknetze in der Schweiz gar nicht mehr?

Wir freuen uns sehr über den Gewinn des connect Netztestes. Swisscom hat den Gesamtsieg mit einem absoluten Topresultat errungen. Darauf bin ich sehr stolz. Zum gleichen Ergebnis wie connect kommt auch der kürzlich durchgeführte Mobilfunknetztest von Systemics. Hier müssen wir uns das Siegertreppchen allerdings mit niemandem teilen (lacht). Die Ergebnisse dieser Tests zeigen, dass die Schweizer Netze absolute Weltklasse sind. Es ist Fakt, dass wir uns in der Schweiz auf einem unwahrscheinlich hohen Niveau befinden. Und klar, auch unsere Mitbewerber investieren in ihre Mobilfunknetze. Der Wettbewerb in der Schweiz spielt zugunsten der Kunden.

Sind solche Mobilfunknetztests überhaupt aussagekräftig, zeigen diese nicht einfach nur eine Momentaufnahme?

Für Swisscom sind diese Tests wichtig. Sie zeigen uns, wie unser Netz wahrgenommen wird. Dazu gibt es mittlerweile eine Fülle verschiedener Tests: Walk- und Drivetests, wie sie connect, Chip oder Systemics machen. Daneben gibt es Kundenbefragungen und Speedtests via Apps, wie beispielsweise Cnlab oder Open Signal. Ja, die Walk- und Drivetests sind Momentaufnahmen. Aber sie zeigen uns, wie die Kunden unser Mobilfunknetz erleben. Wir überprüfen natürlich unser Netz auch selbst laufend und investieren sehr viel in die Betriebsentwicklung. So haben wir in diesem Jahr nochmals enorme Verbesserungen in allen Bereichen des Mobilfunknetzes erzielt, im Voice- und vor allem im Data-Bereich.

Swisscom gewinnt die Hauptkategorie «Mobile Data». Aber in den Städten ist die Versorgung zu Stosszeiten nicht immer optimal.

Wer mobil surfen will, ist bei Swisscom am besten aufgehoben. An stark frequentierten Orten ist die Netzauslastung natürlich besonders hoch. Hinzu kommt, dass die mobile Datenübertragung sich nach wie vor jährlich verdoppelt. Swisscom verdichtet ihr Netz deshalb wo immer möglich. Wir werden bis Ende Jahr bereits 11 Städte punktuell mit einer Geschwindigkeit von 1Gibt/s ausbauen. Das bringt unseren Kunden auch mehr Kapazität nebst der Geschwindigkeitserhöhung. Jedoch wird der Netzausbau in städtischen Gebieten stark erschwert, weil wir hier die NIS-Kapazitätsgrenze erreicht haben. Darum streben wir an, dass die Verordnung zur nicht ionisierenden Strahlung (NISV) angepasst wird. Auch die Bewertungsmethoden müssen angepasst werden. Zusätzlich bedürfen die baurechtlichen Vorgaben einer Revision.

Verändertes Nutzerverhalten führt zu exponentiell ansteigenden Datenmengen, die im Swisscom Netz übertragen werden.

Warum fordert Swisscom eine Anpassung der NISV, wo die Schweiz gemäss connect bereits über bessere Netze verfügt als beispielsweise Deutschland oder Österreich?

Heute stehen die Schweizer Mobilfunknetze im europäischen Vergleich sehr gut da. Die Leistungsfähigkeit stellt sogar die Spitze in Europa dar. Pro Jahr bauen oder modernisieren wir rund 300 Mobilfunkstandorte. Damit kann das laufend zunehmende Kundenbedürfnis nach mobiler Datenübertragung noch erfüllt werden. Jedoch wächst die Anzahl der Standorte, die wir bauen können, längst nicht im gleichen Verhältnis, wie die mobile Datennutzung. Es fehlen neue Standorte. Erschwerend kommen langwierige Bewilligungsverfahren dazu. Durch die 10 Mal strengeren vorsorglichen NISV-Grenzwerte können bereits heute 90% der bestehenden Standorte in urbanen Gebieten nicht mehr ausgebaut werden. Wir benötigen zusätzliche Mobilfunkstandorte. Finden wir sie nicht, können wir die neuen Technologien nicht nutzbar machen.

Wie meinen Sie das?

Die derzeitigen Bestimmungen der NISV verhindern, dass die Schweiz die Mobilfunknetze schnell und wirksam mit der 5G-Technologie modernisieren kann. Dies behindert die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Von einer Anpassung der NISV hängen die erfolgreiche Umsetzung der Strategie zur Digitalisierung unseres Landes sowie die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz ab.

Wie geht der Ausbau bei Swisscom weiter?

Wir investieren massiv in den LTE advanced Ausbau, aktuell sind wir bereits bei einer Abdeckung von 80% mit bis zu 300 Mbit/s und 60% mit bis zu 450 Mbit/s. Dazu kommt der 1Gigabit-Ausbau, bei welchem wir schweizweit führend sind. Bis Ende Jahr werden bereits 11 Städte punktuell mit 1Gbit/s ausgebaut sein. Unsere Kunden können diese enorme Geschwindigkeit auch in 15 verschiedenen Swisscom Shops testen.

Und wo steht Swisscom bei 5G?

Im Sommer 2017 haben wir mit NB-IoT, Network Slicing und 5G-Speed erste 5G Anwendungen gezeigt. Mit unserem Industriepartner Ypsomed testen wir 5G-Anwendungen in der Produktion. Wir arbeiten intensiv an der Entwicklung von 5G, um unseren Kunden die neue Technologie so früh wie möglich zugänglich zu machen. Ich bin überzeugt, dass die nächste Mobilfunkgeneration 5G eine Schlüsseltechnologie darstellt und eine Generationenchance ist. Sie wird mehr als blosse Geschwindigkeitssteigerungen und mehr Kapazität bieten. Sie wird das Betriebssystem der digitalen Wirtschaft bilden. Die künftige Wettbewerbsfähigkeit hängt direkt von dieser leistungsfähigen Infrastruktur ab. Sie wird viele Anwendungen ermöglichen, an die wir heute noch nicht denken. Genau wie vor 10 Jahren, als niemand vorhersagen konnte, welche ungeahnten Kommunikationsformen und neuen Wirtschaftsfelder das mobile Internet und Apps ermöglichen würden. 5G ist eine Plattform für die nächste Innovationswelle. Ich bin sehr gespannt, was uns alles erwartet.

Heinz Herren

Der Leiter IT, Network & Infrastructure ist seit 2012 Mitglied der Konzernleitung von Swisscom. Als Chief Information Officer (CIO) bzw. Chief Technology Officer (CTO) verantwortet er den Ausbau des Swisscom Netzes.

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