Dass Bauen an sich alles andere als trivial ist, wissen die meisten aus eigener Erfahrung. Wer kennt nicht jemanden, der jemanden kennt, der gebaut hat und kein zweites Mal bauen wollte? Die Meinungen sind schnell gemacht – oft zu Unrecht gegenüber den Beteiligten auf dem Bau.
Im Bahninfrastrukturbau kommen weitere Herausforderungen hinzu: Extrem kurze Zeitfenster, Nachtschichten, gefährliche und harte körperliche Arbeit. Im Tunnel beispielsweise kann nicht einfach die Anzahl Maschinen oder Arbeiter verdoppelt werden, sondern es braucht eine akribische Planung. In vielen Fällen könnte die Digitalisierung Abhilfe schaffen. In der Zukunft wird erst ein digitales Abbild einer Baustelle, genannt digitaler Zwilling, erstellt, simuliert und optimiert, bevor die Bagger mit Kies und Schotter auffahren und das Modell 1:1 umsetzen.
Meist scheitern jedoch solche Digitalisierungsvorhaben nicht am fehlenden Knowhow, sondern ganz wo anders: am Fokus oder an der Kultur. Das Schweizer Familienunternehmen Rhomberg Sersa Rail Group hat den Spagat zwischen Baustellenrealität und Technologie geschafft. Hier kommen grosse Maschinen, Kies, Schotter und Stahl mit 5G, dem Internet der Dinge, der Cloud und Data Driven Business zusammen. Zentral für die künftigen Vorhaben ist für Rhomberg Sersa dabei auch das 5G-Netz.
Hubert Rhomberg, Mitinhaber von Rhomberg Sersa, sagt: «Wir brauchen Innovationen, um nachhaltiger und effizienter zu werden. Die Baubranche verursacht viele Emissionen. Sie ist höchst kleinteilig organisiert.» Ein weiterer Treiber für die Digitalisierung liege demografisch auf der Hand, der Fachkräftemangel: «Arbeiten auf dem Bau ist nicht sexy. Wir müssen die Arbeit attraktiver machen, damit wir auch in Zukunft das beste Personal finden. Heute stellen wir Poliere ebenso wie Programmierer oder Game Entwickler ein, die Hand in Hand zusammenarbeiten.»
Hubert Rhomberg erläutert: «Man muss Wissen konsequent teilen. Kommunikation zwischen allen Einheiten und Stufen ist zentral.» Technologie sei sowieso sekundär. Es gehe um Menschen und die Zusammenarbeit. Wenn ein Polier auf einer Baustelle eine Anwendung wolle, weil er sie beim Kollegen gesehen haben, dann habe man das Ziel erreicht. Man müsse die Menschen gewinnen.
Wenn die Rhomberg Sersa heute in sehr engen Zeitfenster, meist in der Nacht, auf die Baustelle tritt, helfen mehr und mehr digitale Tools den Schwerarbeitern. Die ersten Schritte für die digitale Baustelle sind bereits umgesetzt, wie beispielsweise die Künstliche Intelligenz. Sie erkennt die Baumaschinentypen auf Bildern. Christian Schollenberger, ehemals Head of IT bei Rhomberg Sersa erklärt: «Wir gaben den Data Scientists von Swisscom 40 Stunden Zeit, ein entsprechendes Datenmodell zu entwickeln. Auf Fotos können wir Geräte und Maschinen auf Bildern erkennen. Das Modell hat nun 95 Prozent Treffsicherheit.» Diese Informationen fliessen in die Planung und Logistik ein.
Hubert Rhomberg sagt zu Innovation: «Innovation ist keine Hexerei, sondern systematisches Vorgehen. Ideen sammeln, evaluieren, parkieren, verwerfen oder weiterziehen. Von zehn Ideen schaffen es maximal zwei weiter.» Aber nicht um jeden Preis: «Man muss den Rahmen genau abstecken und aufhören, wenn das gegebene Ziel nicht erreicht ist. Dann werden Ideen verworfen oder die Zeit war noch nicht reif», ergänzt Hubert Rhomberg.
Ein weiterer Schritt ist der Prototyp eines Messwagens, auf dem eine Cloud, Mobilfunkanbindung und vieles mehr verbaut ist. Christian Schollenberger sagt: «Die Kameras auf dem Messwagen messen das Bahntrasse während der Fahrt mit einer Genauigkeit von Zehntelmillimeter aus. So erkennt man, wo Unterhaltsarbeiten nötig sind und kann Ausfälle auf dem dichtest befahrenen Bahnnetz der Welt verringern.» Der Messwagen erkennt übrigens sogar gelöste Muttern, auch wenn er mit 60 km/h über das Gleis fährt.
Aktuell arbeiten Rhomberg Sersa und Swisscom insgesamt an fünf Teilprojekten, welche 5G, Internet der Dinge, Cloud und Data Driven Business umfassen und sie im harten Gleisbauumfeld prüfen. Julian Dömer, Head of IoT bei Swisscom sagt: «Wir probieren die Technologien im harten Umfeld aus und stellen es unter Beweis. Die systematische Innovation bei Rhomberg Sersa hat Vorbildcharakter für die ganze Industrie. Sie verbinden technische Innovation mit wirtschaftlichem Nutzen.» Tim Jordan, Head of IT bei Rhomberg Sersa betont: «Nur mit einer mutigen "try & error" Mentalität können moderne Technologien schnell getestet werden und somit die Unternehmensstrategie massgeblich unterstützten.»
Mehr zu Innovation, Technologie und Gleisbau im Roundtable anlässlich des IoT Day vom 6. Mai 2021, unter anderem mit Hubert Rhomberg, Mitinhaber der Rhomberg Sersa Rail Group:
Daten sind alle erdenklichen Arten von Informationen. Nicht alle Informationen sind gleich wertvoll, darum müssen sie analysiert und verwertet werden. Diese Informationen geben ein Gesamtbild zur Baustelle. Je detailgetreuer das Bild, desto besser ist die Planung der Bauvorhaben möglich.
Im gemeinsamen Projekt entwickeln und testen Rhomberg Sersa und Swisscom Teilprojekte für die digitale Baustelle.
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