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Auf der Suche nach Regeln – Wie visuelle Einheitlichkeit die Kommunikation mit Berichten, Präsentationen und Dashboards verbessert

Notenblätter und Baupläne sind nur zwei Beispiele, bei welchen seit Ewigkeiten eine Notation besteht. Doch wie sieht es mit einem Notationskonzept im Berichtswesen aus? Ist dies überhaupt noch möglich, oder hat man hier den richtigen Zeitpunkt verpasst? Dieser Frage wollte ich auf den Grund gehen.

Einleitung

Ich bin nun seit mehreren Jahren im Frontend Bereich tätig und realisiere täglich Reports & Dashboards nach Vorgaben verschiedenster Kunden. Diese Vorgaben variieren von Kunde zu Kunde und unterscheiden sich nicht nur im Inhalt, sondern auch in Aussehen und Gestaltung. Genau da beginnt das Problem, welches seit Jahren unbewusst existiert. Es gibt keine Standards, Normen oder Maßstäbe im Bereich der visuellen oder inhaltlichen Gestaltung von Berichten. Doch genau da könnten die «International Business Communication Standards», kurz «IBCS®», Abhilfe schaffen.

Begründer

Diese Standards wurden von Prof. Rolf Hichert und Dr. Jürgen Faisst begründet und stehen als Creative-Commons-Projekt für alle frei nutzbar zur Verfügung. Weitere Informationen zu den beiden Personen finden Sie unter «Quellen».

Die IBCS® Association

Die IBCS Association setzt sich für die fortlaufende Überprüfung und Weiterentwicklung der International Business Communication Standards ein. Als gemeinnützige Organisation veröffentlicht sie die Standards zur freien Nutzung und sorgt für eine ausführliche Beratung und Diskussion im Vorfeld der Veröffentlichung neuer Versionen. Dies umfasst die weltweiten Bemühungen um öffentliche Meinungsäußerung.

An der Generalversammlung vom 1. Juni 2017 in Barcelona wurde die Version 1.1 von den Aktiv-Mitgliedern angenommen. An der Jahrestagung nahmen über 80 Professionals aus 12 Ländern teil. Anfang 2019 hatte die IBCS Association über 2000 Mitglieder aus mehr als 50 Ländern.

Die IBCS®-Standards

Die IBCS®-Standards basieren auf der seit 2004 bekannten SUCCESS Formel von Rolf Hichert. Die Formel basiert auf den Gedanken bekannter Kommunikationsexperten wie Edward Tufte oder Barbara Minto.

SUCCESS und IBCS®

Es werden folgende sieben übergeordnete Regeln für die schriftliche Geschäftskommunikation (z. B. Berichte, Statistiken) vorgeschlagen:

  • SAY: Botschaft vermitteln
  • UNIFY: Notationsstandards anwenden
  • CONDENSE: Informationsdichte erhöhen
  • CHECK: Visuelle Integrität sicherstellen
  • EXPRESS: Geeignete Visualisierung wählen
  • SIMPLIFY: Überflüssiges vermeiden
  • STRUCTURE: Inhalt gliedern

Diese sieben Regelgruppen bilden die drei Säulen der IBCS Standards:

Konzeptionelle Regeln

Die erste Säule bilden die konzeptionellen Gestaltungsregeln SAY und STRUCTURE: Der Inhalt soll für die Empfänger eine verständliche Botschaft haben und klar strukturiert sein. Diese beiden Regelgruppen sind allgemein gültig und von besonderer Bedeutung:

  • SAY umfasst Regeln zur Vermittung von Botschaften. Jeder Bericht und jede Präsentation sollten eine Botschaft vermitteln. Dazu sind eine Einleitung zum Thema sowie die Glaubhaftmachung der Botschaft erforderlich.
  • STRUCTURE umfasst Regeln zur inhaltlichen Gliederung. Inhalte sollten in logischer Struktur präsentiert werden. Unterpunkte sollten gleichartig, ohne Überlappung und erschöpfend sein.

Diese beiden Regelgruppen SAY und STRUCTURE haben zunächst nichts mit Fragen der Visualisierung zu tun, sie gelten für Vorträge in politischen Gremien genauso wie für Radiobeiträge: In beiden Fällen stehen nämlich keine Schaubilder zur Verfügung.

Einen Zusammenhang mit der Visualisierung gibt es dann, wenn mit der Visualisierung wichtige Botschaften vermittelt werden sollen.

Perzeptionelle Regeln

Die zweite Säule bilden die Gestaltungsregeln, die die visuelle Wahrnehmung betreffen. Das Befolgen der vier Regelgruppen EXPRESS, SIMPLIFY, CONDENSE und CHECK macht es einfacher, die Forderungen nach SAY und STRUCTURE zu erfüllen:

  • EXPRESS umfasst Regeln zur Wahl einer geeigneten Visualisierung. Es sollten Diagramme und Tabellen gewählt werden, die möglichst schnell die gewünschte Botschaft vermitteln.
  • SIMPLIFY umfasst Regeln zur Vermeidung von Überflüssigem. Alles was redundant, störend oder rein dekorativ ist, sollte vermieden werden.
  • CONDESE umfasst Regeln zur Erhöhung der Informationsdichte. Alle zum Verständnis nützlichen Inhalte sollten möglichst auf einer Seite dargestellt werden.
  • CHECK fordert die Sicherstellung der visuellen Integrität. Sachverhalte sollten in wahrheitsgetreuer und leicht verständlicher Form dargestellt werden.

Diese vier Regelgruppen der zweiten Säule können alle die Forderungen nach SAY und STRUCTURE unterstützen – sie dienen vor allem dazu die zu vermittelnde Botschaft zu verstärken.

Perzeptionelle Regeln

Die dritte Säule der IBCS Standards bilden die semantischen Gestaltungsregeln der Regelgruppe UNIFY. Semantische Regeln helfen bei der Übermittlung einer eindeutigen Botschaft durch Verwendung einer einheitlichen Notation (IBCS Notation).

  • UNIFY umfasst Regeln zur Anwendung eines Notationsstandards. Dinge, die Gleiches bedeuten, sollten gleich dargestellt werden.

Eine standardisierte semantische Notation ermöglicht das Wiederkennen betriebswirtschaftlicher Sachverhalte und unterstützt so die Wirkung der konzeptionellen und wahrnehmungsbezogenenen Regeln.

Mehr zum Thema SUCCESS finden sie hier(öffnet ein neues Fenster).

Über die erwähnten Punkte der SUCCESS Formel sind insgesamt 98 Regeln definiert. Hier ein kleiner Ausschnitt (Der Ausschnitt stammt aus dem IBCS Poster, welches in den Quellen verlinkt ist):

Beispiele

Beispiele einer Verwandlung einer bestehenden Grafik in ein IBCS konformes Diagramm gibt es viele. Die Besten davon findet man direkt auf der IBCS Homepage. Die zum Download verfügbaren .PDFs beinhalten jeden Schritt inklusive Erklärung darüber was optimiert wurde. Ich werde für diesen Blog das Beispiel «Spiegel Online, Staatsanleihen» in gekürzter Form darstellen und erklären.

Die nachfolgende Nummerierung bezieht sich auf die vorherige Galerie und zeigt die durchgeführten Schritte auf.

1 Dies ist der IST Zustand aus einem Artikel auf Spiegel.de. Es zeigt die Staatsanleihen verschiedener Länder in Milliarden Euro.

2 Der Titel wurde ergänzt. Die Nulllinie wurde verdeutlicht. Alle Diagramme wurden vergrössert. Farben ohne Bedeutung wurden entfernt.

3 Manipulative X-Achse wurde korrigiert und gleichgestellt. Skalierung der Y-Achse in allen Diagrammen durchgeführt – diese anschliessend vergrössert.

4 Botschaft wurde formuliert.

5 Um die Informationsdichte zu erhöhen wurde die Einwohnerzahl pro Land ergänzt.

6 Der Bezug der Einwohnerzahl und Fälligkeit wird dargestellt. Botschaft und Titel wird erweitert und angepasst. 

7 Botschaft wird hervorgehoben.

Anwendung

Das Verstehen der Regeln und deren Notwendigkeit geschieht oft sehr schnell. Doch die Ernüchterung folgt beim Versuch das gelernte in die Praxis umzusetzen. Die Umsetzung mit verbreiteten Tools wie Excel ist fast unmöglich. Excel bietet zwar viele Diagrammtypen an, doch man wird schnell feststellen, dass es nicht möglich sein wird, damit ein Säulendiagramm nach IBCS-Regeln zu erstellen.

Zurzeit gibt es 12 zertifizierte Software-Lösungen, welche in der Lage sind die IBCS-Regeln umzusetzen. Ohne Kauf einer entsprechenden Software oder Registrierung für eine Testversion war es bislang nicht möglich einfach loszulegen.

Doch mittlerweile steht eine freie Version von Chart-me zu Verfügung. Dabei muss man weder etwas kaufen, noch registrieren.

Über diesen Link gelangt man auf die Webseite: https://chart-me.com/(öffnet ein neues Fenster)

Zurzeit stehen 19 Diagramme und Tabellen zur Verfügung, die sich individuell anpassen lassen und bestens dafür geeignet sind, für die IBCS-Standards zu werben.

Die Anwendung ist hierbei sehr simpel.

  • Man wählt das gewünschte Diagramm mit «Customize» aus
  • Klickt oben auf «Export xls»
  • Öffnet das heruntergeladene Template
  • Passt es im Excel an
  • Klickt nun oben auf «Import xls»
  • Fertig!

Zusätzlich lässt sich dies dann auch gleich exportieren. Zur Veranschaulichung sind die Schritte in folgender Galerie aufgezeigt:

Das Beispiel zeigt eine Tabelle mit integriertem Wasserfall sowie absoluten und relativen Abweichungen.

Chart-me verfügt zusätzlich über eine Video-Anleitung:
How To: Chart-me.com(öffnet ein neues Fenster)

Praktischer Nutzen von Notationsstandards

Der Nutzen von Notationsstandards für Verkehrszeichen, Züge im Schachspiel, Wetterkarten und viele andere Disziplinen ist offensichtlich. Sie werden seit langem genutzt und niemand käme auf die Idee, die Vorteile dieser Standardisierung in Frage zu stellen. Doch im Berichtswesen scheint das anders zu sein: Die Durchsetzung von «Corporate Design Standards» scheint wichtiger zu sein, als die Durchsetzung von «Bedeutungsstandards». Ausserdem will man die wirtschaftlichen Vorteile verstehen, bevor man neue Regeln implementiert, neue Berichte baut, und neue Software beschafft.

Es gibt 3 herausstechende Argumente, auf welche man bei der Implementierung von Notationsstandards zurückgreifen kann:

  • Bessere Qualität: Die Qualität der Arbeitsergebnisse wird sich in allen Phasen des Prozesses verbessern. Das bedeutet leichter zu begreifende Dashboards.
  • Kürzere Reaktionszeit: Dashboards werden schneller bereitgestellt, Controller finden schneller Antworten und Führungskräfte treffen schneller fundierte Entscheidungen.
  • Reduzierte Kosten: Geringerer Zeitaufwand für die Bereitstellung resultiert in senkenden Kosten. Der grösste Vorteil dürfte jedoch in der Zeitersparnis der Führungskräfte liegen, weil sie die ihnen vorgelegten Berichte schneller verstehen.

Ohne Investitionen in die Entwicklung eines Notationskonzepts, in die Auswahl geeigneter Software und deren erfolgreiche Installation sowie in Schulungen, werden diese Vorteile nicht erreichbar sein. Zusätzlich gehört auch das komplette Überarbeiten der vorhandenen Berichte, Dashboards usw. dazu. Es bedarf also nach einem Einzelaufwand, um zu einer fundierten Einführung eines Notationsstandards zu gelangen.

Fazit

Ehrlich gesagt kam mir bislang nie in den Sinn ein Notationskonzept übergreifend im Berich des Reportings anzuwenden. Doch je mehr ich mich mit IBCS befasste, desto mehr wurde mir klar, wie oft ich schon Berichte erstellt habe die eigentlich so viel mehr hätten sein können. Ich verstehe und unterstütze das Vorhaben und die Vision von Rolf Hichert und Jürgen Faisst gänzlich.

Das grösste Problem in meinen Augen ist jedoch die aktuelle Zugänglichkeit. Klar gibt es mittlerweile viele Tools welche IBCS unterstützen. Doch sie sind alle mit Mehraufwand verbunden, auch wenn dieser noch so klein ist. Ich vermute, dass zuerst die ganz Grossen (Excel und co.) mitspielen müssen, damit ein generelles Umdenken stattfinden wird.

Hoffen wir, dass es bald so sein wird.

Interessiert?

Falls Sie, nach diesem Beitrag, gerne mehr über IBCS wissen möchten und ggf. eine spezifische Beratung für die Implementierung in Ihrem Umfeld suchen, dürfen Sie gerne mit mir in Kontakt treten. Als zertifizierter IBCS® Consultant stehe ich Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Quellen und weiterführende Informationen

Literatur

«Mit SUCCESS zu IBCS – Erfolgreiche Berichte und Präsentationen (PDF)»
Link zum IBCS Shop(öffnet ein neues Fenster)

«GEFÜLLT | GERAHMT | SCHRAFFIERT (Buch)»
Link zum IBCS Shop(öffnet ein neues Fenster)

«Notationshandbuch, Mustervorlage (PDF oder PPT)
Link zum IBCS Shop (öffnet ein neues Fenster)

IBCS® Certified Consultants

Oliver Maegert

Oliver Maegert

Analytics Consultant

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