Schlechte Luft mindert die Leistungsfähigkeit, Hitze im Rechenzentrum gefährdet die Betriebssicherheit. Reinhard Bischoff von der Decentlab AG sorgt mit IoT-gestützten Klimasensoren für Abhilfe.
Text: Jörg Rothweiler, Bilder: Daniel Brühlmann,
Zu hohe CO2-Werte, zu viel Wärme oder Feuchtigkeit, Ausdünstungen von Produktionsanlagen, Wandfarben, Bodenbelägen oder Textilien sowie – natürlich – den Menschen im Raum sorgen vielerorts für «dicke Luft». Doch während Gerüche, Wärme und Feuchtigkeit spürbar sind, bleiben erhöhte Kohlendioxydwerte oder Luftbelastungen durch flüchtige organische Stoffe (volatile organic compounds, kurz VOC), welche durch Verdunstung von Lösungsmitteln, Farben, Lacken oder Kunststoffen entstehen, teils aber auch von Pflanzen emittiert werden (z.B. Methan, Isopropen, Terpene) meist unbemerkt. Dabei beeinträchtigen diese das Wohlbefinden, die geistige Leistungsfähigkeit und die Gesundheit. Daher diskutiert beispielsweise die EU aktuell die Einführung einer Pflicht zur Überwachung der Luftqualität in öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder Spitälern.
In geschlossenen Räumen misst der «Indoor Ambience Monitor» die Konzentration von Kohlendioxyd, Temperatur, Feuchtigkeit und Luftdruck.
Wie dies praktisch funktionieren kann, zeigt Reinhard Bischoff, Geschäftsführer der Dübendorfer Decentlab AG. Der studierte ETH-Elektrotechniker und sein Geschäftspartner Jonas Meyer entwickeln nämlich Sensoren für die Überwachung verschiedenster Parameter. Der Clou: Die Messgeräte sind klein, leicht, funktionieren dezentral, autonom – und dank IoT-Technologie unabhängig von Strom- und Internetanschluss. Denn die von den Sensoren gesammelten Daten werden ganz einfach über das LoRaWAN-basierte Low Power Network (LPN) der Swisscom übertragen.
«Wer sich am Arbeitsplatz wohl fühlt, engagiert sich dauerhaft und bleibt dem Unternehmen treu. Wer in sauberer Luft arbeitet, wird nicht so schnell müde.»
Reinhard Bischoff
Reinhard Bischoff: «Bereits vor zehn Jahren entwickelten Jonas und ich an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf im Rahmen eines EU-Forschungsprojektes ein System zur Brückenüberwachung. Dieses musste zwingend autonom funktionieren. Es gelang uns, dies umzusetzen – und in der Folge gründeten wir 2008 das Empa-Spin-off «Decentlab» und sind heute ein globaler Anbieter für IoT-Sensorik.»
Aktuell bietet die Firma rund zwei Dutzend Sensorsysteme, Geräte und Monitoring-Lösungen an. Diese überwachen den Grundwasserspiegel über grosse Flächen, messen die Temperatur an den kältesten Orten der Schweiz, registrieren das Wachstum von Bäumen und Pflanzen im Amazonas und zeichnen – im Rahmen der Schweizer Initiative CarboSense – die CO2-Konzentration der Luft in Städten auf, etwa in Zürich, Freiburg, Basel und Luzern.
Die Sensoren sind klein, leicht und übertragen die gesammelten Klimadaten energiesparend über das LPN-Netz von Swisscom.
Jüngstes Projekt sind Sensoren für die Luft- und Klimaüberwachung in geschlossenen Räumen. Das System namens «Indoor Ambience Monitor» misst die Konzentration von Kohlendioxyd und VOCs, Temperatur, Feuchtigkeit und Luftdruck. Zudem wird die Lichtintensität erfasst und pyroelektrische Infrarot-Sensoren (PIR-Motion-Sensoren) detektieren die Anwesenheit und die Bewegungen von Personen. Die gesammelten Daten werden über das für das Internet der Dinge optimierte LoRaWAN-Netz von Swisscom übermittelt, in Echtzeit analysiert und mittels einer Software grafisch aufbereitet.
Die App bereitet die gesammelten Daten grafisch auf.
«So wissen unsere Kunden, beispielsweise Unternehmen, Schulen, Universitäten, aber auch Rechenzentren, Shoppingcenter, Flughäfen oder Museen und andere öffentliche Institutionen, jederzeit über die Luftqualität in ihren Räumen Bescheid – und können proaktiv agieren», erklärt Bischoff. Unter anderem erkennt das System dank der Bewegungssensoren, wenn Menschen in ein Sitzungszimmer strömen. Beleuchtung und Lüftung werden dann im besten Fall automatisch reguliert, und zwar noch bevor die Luft im Raum stickig wird. Zudem besteht die Möglichkeit, Alarme auszulösen und die verantwortliche Person via App zu alarmieren, etwa im Fall eines Hitzestaus im Rechenzentrum.
Für die Kunden habe die Überwachung der Luftqualität und Klimaparameter so viele Vorteile, dass sich die Investition auch ohne den in der EU diskutierten gesetzlichen Zwang lohnt, ist Bischoff überzeugt: «Wer sich am Arbeitsplatz wohl fühlt, engagiert sich dauerhaft und bleibt dem Unternehmen treu. Wer in sauberer Luft arbeitet, wird nicht so schnell müde. Zudem dient es der Arbeitssicherheit, wenn die Leute bei der Bedienung einer Maschine oder Produktionsanlage konzentriert und wach sind.» Der Rest ist eine Milchbüchlein-Rechnung: Steigt die Produktivität aller Mitarbeitenden, macht sich die Anschaffung des IoT-Systems zur Klimaüberwachung rasch bezahlt.
Reinhard Bischoff: «Dank der Sensoren wissen unsere Kunden jederzeit über die Luftqualität in ihren Räumen Bescheid – und können proaktiv agieren.»
Die Vernetzung von Geräten im Gebäudeinnern ist kein leichtes Unterfangen: Dicke Wände, abschirmende Materialien wie Beton und Stahl oder tiefe Einsatzgebiete erschweren die Übertragung von Funksignalen. Geschlossene Systeme schaffen zwar Abhilfe, doch lassen sich Geräte anderer IoT-Dienstleister nur schwer ins Netzwerk einbinden. Und auch die externe Stromversorgung der Sensoren ist nicht überall gewährleistet; Geräte mit möglichst langer Batterielaufzeit sind dann ein Muss.
Neue IoT-Zugangstechnologien wie das auf dem LoRaWAN-Standard basierende Low Power Network (LPN) von Swisscom oder der erweiterte Mobilfunkstandard NarrowBand-IoT, der IoT-spezifische Anforderungen wie hohe Netzunabhängigkeit, hohe Verfügbarkeit und Sicherheit erfüllt, sind ideal für die Datenübertragung innerhalb von Gebäuden. Dank schmaler Bandbreite und hoher Reichweite werden Daten energiesparend und zuverlässig übermittelt – egal, wo sich die Sensoren befinden. Mit LPN und NarrowBand-IoT realisiert Swisscom den nationalen Ausbau für IoT – und etabliert einen Standard für unzählige neue IoT-Ökosysteme und digitale Anwendungen.
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