Viele Banken beschäftigt im Zuge der Digitalisierung nicht nur, welche IT-Vorhaben im Spannungsfeld regulatorischer Rahmenbedingungen, innovativer Trends und dem steigenden operativen Kostendruck Potentiale aufzeigen, sondern auch, ob das eingesetzte Kernbankensystem den aktuellen Ansprüchen des Geschäfts gewachsen ist.
Der Core Banking Radar von Swisscom in Zusammenarbeit mit dem Business Engineering Institute St. Gallen (BEI) beobachtet seit 2017 die Systemunterstützung von Banken und analysiert die gängigsten Systeme in der Schweiz in regelmässigen Abständen mit einem umfangreichen Beurteilungsmodell. Da jedoch die alleinige Analyse der Systeme nicht das ganze Bild zeigt, bezieht dieser Artikel Erkenntnisse aus der Befragung vier ausgewählter Kundenbanken ein, bei denen drei unterschiedliche Kernbankensysteme im Einsatz sind. Die Resultate geben Aufschluss über die aktuelle Zufriedenheit mit der Systemunterstützung aus Bankensicht und zeigen drei grundsätzliche Strategien für die Systemunterstützung von morgen auf.
Mit der steigenden Kundenzentrierung und dem Paradigmenwechsel von produktorientierten zu bedürfnisorientieren Dienstleistungen sind neue Herausforderungen entstanden, die zu einem wachsenden Handlungsbedarf in der Banken-IT führen:
Die Heatmap „Umsysteme“ zeigt die Bereiche auf, bei welchen die Banken gemäss Befragung Umsysteme einsetzen oder nach Lösungen für die künftige Ausrichtung suchen. Die Darstellung der Heatmap erfolgt an den Grundstrukturen des Bankmodells.
Heat Map Umsysteme
Interessanterweise werden Umsysteme gewählt, obwohl die Services meist auch über Applikationen des Kernbankensystemherstellers selbst umgesetzt werden könnten. Insgesamt ist festzustellen, dass der Einsatz von Umsystemen an der Kundenschnittstelle stärker ausgeprägt ist. Ungelöst ist hier bei vielen Kundenbanken der schlüssige Ansatz. Soll die Kundeninteraktion fachbereichsspezifisch (im Zahlen, Anlegen oder Finanzieren) erfolgen oder ist es sinnvoller, die Kundenbedürfnisse themenabhängig entlang der Kontaktpunkte auf der Customer Journey zu bedienen?
Im Zufriedenheitsgrad zeigt sich, wie zufrieden Banken mit den von ihrem System angebotenen Kernprozessen des Banking grundsätzlich sind. Die stärkste Unzufriedenheit zeigt sich bei der Abhängigkeit und der Verfügbarkeit von Ressourcen vom Hersteller. Wobei es auch hier einzelne Feedbacks mit hoher Zufriedenheit gab.
Spannungsfeld der Zufriedenheit mit der Systemunterstützung
Die meisten der befragten Kundenbanken bieten aktuell noch keine Leistungen in Ecosystemen an, äusserten jedoch das Ziel, sich in den nächsten drei Jahren als Teilnehmer zu positionieren. Gemäss der aktuellen Befragung sind aus Sicht der Kundenbanken insbesondere die Ecosysteme Wohnen und Vorsorge interessant, vorzugsweise in Leistungen entlang der Customer Journey wie beispielsweise «Hauskauf und Hypotheken». Weiteres Potential wird auch einem Ecosystem im Bereich «Retail» zugeschrieben, welches beispielsweise Supermärkte oder E Commerce Shops umfasst. Das Hauptargument für die Banken sind hier die hohen Transaktionsmengen und die damit einhergehend anfallenden Daten.
Vor diesem Spannungsfeld zwischen neuen offenen Geschäftsmodellen, wie sie mit PSD2 sogar vom Regulator in der EU gefördert werden, und dem Betreiben des klassischen produktorientierten Bankgeschäftes, ist eine Strategie für die künftige Systemunterstützung zu formulieren.
In der Evaluation und Entwicklung einer geeigneten Strategie sind vier übergeordnete Kernfragestellungen zu beantworten: Offenheit, Daten, Funktionen und Prozesse. Diese lassen sich im Rahmen der Befragung im Spannungsfeld der eingangs beschriebenen Herausforderungen (Servicevielfalt, Ecosystem, Tiefzuhaltende Gesamtkosten) spezifizieren und zeigen damit nachfolgend den Wandel zur künftigen Systemunterstützung auf:
Grundsätzlich lassen sich vor dem Hintergrund der Zufriedenheitsanalyse der Kundenbanken und den Kernfragestellungen der architektonischen Gestaltung drei Strategien für die künftige Systemunterstützung ableiten.
Die Bedürfnisse der befragten Banken sind sehr ähnlich. Für die gängigen Funktionalitäten und Services zeigen sich die befragten Banken als weitestgehend zufrieden mit der Systemunterstützung ihrer Kernbankensysteme. Je komplexer und weniger standardisiert eine Funktion jedoch wird, desto stärker lässt die Zufriedenheit der Banken mit den angebotenen Out-of-the-Box-Lösungen nach.
Alle befragten Kundenbanken sehen schlüssige Ansätze in der künftigen Kundeninteraktion als eine Herausforderung. Soll die technologische Unterstützung fachbereichsspezifisch erfolgen oder macht ein digital integrierter Ansatz entlang der Customer Journey oder vielleicht sogar der Aufbau eines Ecosystems Sinn?
Die befragten Banken sind an Lösungen zur Erschliessung der Ecosysteme Wohnen und Vorsorge interessiert. Es zeigt sich aber auch, dass diese finanziell (noch) wenig attraktiv sind und die gemeinschaftliche Datennutzung häufig noch geklärt werden muss.
Tiefe Kosten heisst für Kernbankensystemhersteller Standardisierung und Modularisierung. Gleichzeitig verlangen die Banken immer häufiger eine Abdeckung individueller Bedürfnisse.
Dies verlangt nach einer Strategie. Die vier Kernfragen unterstützen hierbei die Strukturierung. Der Grad der Öffnung hängt von den Services, den Partnern und von der beabsichtigten Datennutzung ab. Die Integration der Funktionen wie auch der Grad der systemdurchgängigen Prozessunterstützung sind zu beurteilen.
Abdeckung der Kernfragen durch die drei Strategien (Spannbreiten)
Mit jeder der drei hier formulierten, plakativen Strategien lassen sich die übergeordneten Kernfragestellungen zu Offenheit, Datenhaltung, Funktionen oder Prozessen in einer Range unterstützen. Wichtig für Banken ist die Ausrichtung nach einer eindeutigen Strategie für ihre IT.
Dies verlangt Beweglichkeit und klare Entscheidungen für die Systemunterstützung, sowohl von den Banken selbst wie auch von den Kernbankensystemherstellern. Weiterhin bedeutet dies auch ein vermehrtes Suchen nach Lösungen miteinander und bedingt starke partnerschaftliche Beziehungen in der Zukunft.
Der Core Banking-Radar wird die Entwicklungen weiterverfolgen. Ein wichtiges Themengebiet sind die Neo-Kernbankensysteme, welche einen komplett modularen Ansatz nach Strategie 3 (s.o.) versprechen. Bleiben Sie gespannt.
Swisscom und das Business Engineering Institute St. Gallen (BEI) pflegen eine langjährige Partnerschaft im Rahmen des Kompetenzzentrums "Ecosystems". Dieses bearbeitet Themen wie Ecosysteme, Digitalisierung, Transformation sowie Fragestellungen rund um die zukünftige Ausgestaltung der Finanzindustrie. Ergänzend zu den Forschungsaktivitäten führt das BEI Projekte zur Gestaltung und Umsetzung innovativer, branchenübergreifender Geschäftsmodelle durch.
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