Digitales Firmkundengeschäft
In der Schweiz stellen KMU rund 99 Prozent der Arbeitsstätten. Das Firmenkundengeschäft mit KMU ist aus Bankensicht somit strategisch höchst relevant – aber bisher noch wenig auf die digitalen Bedürfnisse der kleineren Unternehmen ausgerichtet.
Urs Binder, 5
Die Studie «Digitales Firmenkundengeschäft» des Swisscom-Finanzkompetenzzentrums e-foresight und des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern hat die Digitalisierung im KMU-Banking genau unter die Lupe genommen. Das Angebot der 50 grössten Schweizer Retailbanken wurde analysiert, und 473 Firmenkunden mit Schwerpunkt auf Unternehmen mit 1 bis 250 Mitarbeitenden gaben Auskunft über den Nutzen, den sie in digitalisierten Bankprodukten und Dienstleistungen sehen. Zehn wichtige Erkenntnisse:
Bei den meisten Banken können KMU elektronische Rechnungen einreichen und auslösen (94%). Push-Nachrichten mit wichtigen Informationen gibt es bei 80% der Banken. Auch die befragten KMU weisen E-Banking mit 2,58 von 5 Punkten den höchsten durchschnittlichen Gesamtnutzen zu.
Laut Eigenauskunft der meisten Banken können die KMU-Kunden das Konto mit ihrer Buchhaltungslösung verknüpfen. Meist aber eher kompliziert über den Download von Datenfiles. Nur 8% der Banken ermöglichen den automatischen Abgleich oder haben wie beispielsweise Valiant Bank die Buchhaltungsfunktion direkt ins Online-Portal integriert.
Keine der 50 untersuchten Banken offeriert ein echtes KMU-Finanzcockpit mit tagesaktueller Darstellung der Kennzahlen. Demgegenüber sehen 51% der befragten KMU in einem Finanzcockpit einen sehr hohen oder eher hohen Nutzen.
Beratung via Web- oder Video-Chat gibt es nur bei den wenigsten Banken. Dies entspricht allerdings der Kundenpräferenz: KMU wollen sich auch im Zeitalter der Digitalisierung persönlich an ihre Bank wenden. Web-Chat und Video-Beratung sind für die meisten Befragten nicht attraktiv.
Mit 2,4 Punkten am zweitinteressantesten beurteilen KMU Zahlungsmöglichkeiten wie Mobile Payment, Zahlungslösungen für Webshops und mobile POS-Zahlterminals. Die Angebotsseite entwickelt sich gut: bereits 56% der Banken bieten Mobile-Payment-Lösungen an.
Im Bereich Finanzierung sind digitale Angebote Mangelware. Erst bei 8% der Banken können Hypotheken online abgeschlossen werden, nur bei 6% ist online eine Ablösung oder Verlängerung möglich. Online-Kreditabschlüsse kennt nur eine einzige Bank (einige weitere stehen in den Startlöchern).
Neuartige Finanzierungsformen wie Peer-to-Peer-Direktkredite stossen weder bei den Banken noch bei den Kunden auf nennenswertes Interesse.
Dienstleistungen, die nicht zum Kerngeschäft von Banken gehören, erregen wenig Kundeninteresse. Die meisten KMU zeigen Online-Factoring, Online-Treuhandangeboten oder dem Online-Verkauf von Versicherungen die kalte Schulter. Das gleiche gilt für Networking-Plattformen im Stil eines «Firmen-Facebook».
Ein digitales Vertragsarchiv, die automatisierte Buchhaltungsanbindung, die digitale Mutation von Vollmachten, ein Finanzcockpit sowie der Online-Abschluss von Festgeldern und die Online-Eröffnung von Geschäftskonten bieten jeweils weniger als 10% der Banken an. Die KMU sehen gerade in diesen fünf Bereichen einen vergleichsweise hohen Nutzen.
Die Digitalisierungsbemühungen der Banken im Firmenkundengeschäft stehen noch am Anfang. Die Studie identifiziert nur zwei «First Mover», die Digitalisierung aktiv vorantreiben. Dazu kommen rund ein Dutzend «Follower» mit ersten digitalen Produkten und Dienstleistungen. Der Löwenanteil besteht aus «Late Followers», die allenfalls vereinzelte Digitalisierungsinitiativen im Firmenkundengeschäft lanciert haben.