Flexible Arbeitsmodelle, mobiles Arbeiten sowie die vorherrschende Projektarbeit verlangen nach neuen Büroformen. In sogenannten Office-Landschaften können Mitarbeiter aus einer Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsplatz-Szenarien jeweils nach Belieben jenes wählen, das zu ihrer aktuellen Tätigkeit passt. Dabei sollten allerdings die Ergonomie und die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer nicht vergessen werden.
Claudia Bardola
Business as usual? Das war gestern! Veränderung heisst das Mantra der neuen Arbeitswelt: Dank mobiler Endgeräte, Cloud Computing sowie flexibler Arbeitsmodelle und -zeiten arbeiten heute immer mehr Angestellte, wie und wo sie wollen. Kein Wunder, ist doch das Pensum an manueller Routine-Schreibtischtätigkeit auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Bürolisten sind längst zu Wissensarbeitern mutiert, die vorwiegend in Projekten in verteilten und sich ständig neu formierenden Teams arbeiten.
Damit wird offensichtlich, dass gängige Büroformen – allen voran die oftmals lieblosen Grossraumflächen sowie abgeschottete Zellenbüros – den Ansprüchen der neuen Arbeitswelt hinterherhinken. Mittlerweile setzen denn auch immer mehr Schweizer Unternehmen wie etwa die SBB, Credit Suisse, UBS, Microsoft oder die Baloise in einem grossen Pilotprojekt auf sogenannte Office-Landschaften. «Diesen liegt das Prinzip des Activity Based Working zugrunde: Mitarbeiter sollen jederzeit den für ihre aktuelle Aufgabe idealen Arbeitsort finden», erklärt Innenarchitektin Sybille Lembcke vom Büro Kleibrink. Smart in Space, das sich auf innovative Bürokonzepte spezialisiert hat.
Bei flexiblen Office-Landschaften wird die Bürofläche in verschiedene Arbeits- und Aufenthaltsorte gegliedert: Wer konzentriert arbeiten oder telefonieren will, geht in einen Fokusraum, Teams finden in Projekträumen zusammen, Routinearbeit wird einfach an einem freien Schreibtisch erledigt und konferiert wird an verschiedenen Kommunikationsmodulen, in informellen Lounges oder in Besprechungszonen. Fixe Arbeitsplätze gibt es in der Regel nicht mehr – die sind statistisch gesehen ohnehin nur zu 40 bis 60 Prozent belegt. Dafür laden Lümmelsofas zum kreativen Herumspinnen, Ruheräume zum Power-Nap und Verpflegungsstationen zum informellen Austausch ein.
Und genau Letzteres ist denn auch ein erklärtes Ziel dieser sogenannten nonterritorialen Nutzungsstrategien. So hat das Massachusetts Institute of Technology in einer Studie herausgefunden, dass vier Fünftel aller wirklich innovativen Ideen nicht in der Entwicklungsabteilung oder im Einzelbüro entstehen, sondern durch ungeplante Kommunikation. Diesem Umstand soll Rechnung getragen werden, schliesslich sind Innovationskraft und Kreativität match-entscheidend im globalen Wettbewerb.
Laut Lembcke geht es bei den Office-Landschaften aber auch darum, ein Ambiente zu schaffen, das die Wertschätzung des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern ausdrückt und eine hohe Aufenthaltsqualität bietet. «Das erhöht nicht nur die Motivation und Produktivität, sondern stellt angesichts des War for Talents auch ein zunehmend wichtiges Recruiting-Argument dar. Schliesslich stellen gerade die jungen Fachkräfte die alten Strukturen stark infrage und wünschen sich zunehmend ein flexibles Arbeitsumfeld», so Lembcke.
Der Arbeitspsychologe Peter Gugger warnt aber vor einem zu einseitigen Fokus auf die sogenannte Generation Y: «Das wäre fatal, denn angesichts des demografischen Wandels wird es immer wichtiger, die älteren Mitarbeiter im Arbeitsprozess zu behalten. Ihnen wird in den offenen Bürolandschaften aber noch immer zu wenig Rechnung getragen.» Den Älteren mache in den Open Spaces insbesondere die noch häufig vernachlässigte Ergonomie zu schaffen wie auch der Umstand, dass alle Mitarbeiter quasi zu Nomaden werden: «Der ständige Ortswechsel und die immer wieder neuen Stimulationen können zwar positiv wirken, binden im Gehirn aber sowohl neurophysiologisch wie auch neuropsychologisch überdurchschnittlich viel Energie. Das kann die Leistung bei der eigentlichen Aufgabe vermindern.»
«Der räumliche Wandel löst oftmals einen Veränderungsprozess aus, der die gesamte Arbeits- und Unternehmenskultur erfasst.»
Sybille Lembcke
Guggers Empfehlung: «Weniger ist mehr. Statt auf ausufernde Erlebniswelten und ein unüberschaubares Angebot sollten sich Unternehmen grundsätzlich auf einige wenige, dafür aber flexible Zonen beschränken, in denen vieles möglich ist, differenzierte ergonomische Einrichtungen vorhanden sind und auch dem sozialen Austausch ein wichtiger Platz eingeräumt wird.»
Eine Blaupause für das ideale Layout von Office-Landschaften gibt es ohnehin nicht, wie Lembcke erklärt: «Grundsätzlich ist es wichtig, einen gut ausgewogenen Mix differenzierter Raumzonen so zu planen, dass die verschiedenen Tätigkeiten zwischen individueller, konzentrierter Einzelarbeit und der Arbeit im Team und in Projekten optimal abgebildet werden können. Dabei sind die individuellen Anforderungen der verschiedenen Unternehmen zu berücksichtigen. Deshalb steht am Anfang jeder Planung die Frage: Wo stehen wir und wo wollen wir hin?»
Besonders wichtig sei es, die Mitarbeiter von Anfang an mitzunehmen: «Es gilt, Betroffene zu Prozessbeteiligten zu machen und durch die Einbindung der Nutzer die Treffsicherheit der Planung zu erhöhen. Nur durch einen kontinuierlichen Change-Management-Prozess kann sichergestellt werden, dass die Akzeptanz durch die Nutzer hoch ist und diese das Neue auch richtig zu nutzen wissen.»
Abschliessend will Lembcke Office-Landschaften nicht nur auf ein cleveres Layout, innovative Einrichtung und eine heimelige Gestaltung reduziert sehen und fasst zusammen: «Der räumliche Wandel löst oftmals einen Veränderungsprozess aus, der die gesamte Arbeits- und Unternehmenskultur erfasst und so dazu beitragen kann, dass Identifikation, Motivation und Wertschöpfung deutlich gesteigert werden können.»