Wie entwickelt sich die digitale Transformation bei Schweizer Unternehmen, und wohin führt der Weg? Im Interview äussert sich Urs Lehner, Leiter Business Customers bei Swisscom, zu neuen Chancen und bestehendem Verbesserungspotenzial.
Text: Sara Wyss , Bilder: Swisscom
09. Juni 2022
Schweizer Unternehmen sind so digital wie nie zuvor – natürlich stark getrieben durch die Corona-Pandemie. Wir sprechen mit unseren Kunden heute über das «How», nicht mehr über das «Why» von Digitalisierungsvorhaben. Damit die Digitalisierung zügig fortschreiten kann, braucht es aber nicht allein ICT-Lösungen. Der Mensch spielt eine ebenso zentrale Rolle. Deshalb müssen sich Unternehmen um den «Skill Gap» kümmern. Wissenslücken bestehen sowohl in der kompetenten Nutzung digitaler Geräte wie im Verständnis heutiger Nutzergewohnheiten. Arbeitgeber müssen den Aufbau entsprechender Kompetenzen gezielt unterstützen. Darüber hinaus braucht es zwingend eine Förderung der MINT-Kompetenzen im Schweizer Bildungssystem sowie zusätzliche Anstrengungen, um die Zahl ausgebildeter Personen in Ingenieur-Berufen zu erhöhen. Denn ohne qualifizierte Fachkräfte wird die digitale Transformation ausgebremst.
Das Anwerben, Fördern und Halten von Talenten wird in den kommenden Jahren eine der grössten Herausforderungen für IT-Unternehmen und auch für Swisscom. Was die ICT hier beisteuern kann, sind Tools und Technologien, die das Arbeitsumfeld der Mitarbeitenden verbessern. Stichwort: Employee Experience. Wichtige Komponenten sind Produktivitätstools, Devices und Applikationen.
Eine dringliche und zentrale Aufgabe unserer Gesellschaft ist zudem die Nachhaltigkeit. Ich sehe es als unsere Verpflichtung, mit den Möglichkeiten der Digitalisierung einen Beitrag dazu zu leisten. Das gilt für Swisscom selbst. Und darüber hinaus wollen wir unsere Kunden in ihrem Engagement unterstützen. Eine wesentliche Grundlage dafür bilden Daten. Sie helfen, Muster im Energieverbrauch zu erkennen, Einsparpotenzial zu identifizieren und nachhaltige Lösungen umzusetzen. Digitalisierung und das Data-driven Business sind Schlüsselelemente auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Der Übergang zu hybriden Arbeitsumgebungen, die Etablierung von Cloud-Lösungen, die zunehmende Vernetzung von Geräten sowie die Nutzung der entsprechenden Daten sind wichtige Schritte für Unternehmen. Klassische Sicherheitsarchitekturen bieten aber in diesem Kontext nur ungenügenden Schutz, um Unternehmensdaten vor unerlaubten Zugriffen zu schützen.
Die parallele Nutzung von eigener IT-Infrastruktur und Cloud-Angeboten erfordert ein Nebeneinander verschiedener Betriebsmodelle. Die Transformation von Workloads zwischen diesen Modellen muss integral geplant und orchestriert werden, inklusive entsprechender Sicherheitsarchitekturen.
«Ein Ziel der digitalen Transformation ist, aus wachsenden Datenmengen einen Business Value zu generieren.»
Urs Lehner
Remote Work ist mittlerweile etabliert, und viele kurzfristig angepasste Prozesse und Systeme wurden stabilisiert. Die Technologie muss nun der Gestaltung neuer Geschäftsmodelle dienen. Es geht also darum, einen optimalen Business Value aus der angepassten Infrastruktur und den wachsenden Datenmengen zu generieren. Prozesse können effizienter und moderner gestaltet werden, Informationen und Daten neu betrachtet, anders kombiniert und verarbeitet werden. Dies mit dem Ziel, Kundenbedürfnisse und Ansprüche von Mitarbeitenden besser zu bedienen.
Ich bin überzeugt, dass das Internet der Dinge (IoT) starken Aufwind bekommt. Unternehmen können damit ihre Geschäftsprozesse nachhaltiger gestalten und zum Beispiel CO2 einsparen.
Der Einsatz von AI und Hyperautomation wird zunehmen. Diese Technologien zahlen sich vor allem bei Firmen aus, die eine starke Datenstrategie haben und über die Fähigkeit verfügen, mit den richtigen, qualitativ hochwertigen Daten Services mit klarem Kundennutzen bereitzustellen. Technologien, die die Datenverarbeitung und -analyse unterstützen, werden weiterhin boomen.
Urs Lehner
Urs Lehner ist seit 2017 Leiter Business Customers und Mitglied der Konzernleitung von Swisscom. Nach seiner Ausbildung zum Informatikingenieur FH absolvierte er an der Hochschule St.Gallen HSG ein Executive-MBA-Programm in Business Engineering. Ab 1997 war er in verschiedenen Funktionen massgeblich am Aufbau des unabhängigen IT-Dienstleistungsunternehmens Trivadis beteiligt, unter anderem als COO, Partner und Verwaltungsrat. 2011 stiess er als Leiter Marketing & Sales Corporate Business zu Swisscom und bekleidete anschliessend verschiedene Leitungsfunktionen im Geschäftskundensegment. Mit der Zusammenlegung der Segmente KMU und Grosskunden verantwortet er seit Januar 2020 den gesamten Bereich Business Customers von Swisscom.