Neue Geschäftsmodelle

Frisches Gemüse aus der Halle dank Robotik und 5G

In einer Lagerhalle im Smart City Lab der SBB in Basel wächst frisches Gemüse, das auf dem kürzesten Weg im Lebensmittelladen landet. Wie funktioniert das, so ganz ohne Tageslicht? Welche Rolle spielt 5G dabei? Und wie hängen Robotik und Gemüseanbau zusammen?

Text: Michael Lieberherr,

Basel, Wolfareal – ein Lagergebäude, wie es zu hunderten in der Schweiz steht. Im ehemaligen Güterbahnhof der SBB wächst frisches Gemüse, welches der Detaillist in der unmittelbaren Nähe erntefrisch verkauft. Erntefrisch bedeutet, dass zwischen Ernte und Verkauf nur wenige Stunden liegen.

 

Beim Gang durch die Produktionshallen erklärt Marcel Florian, Gründer und Inhaber von Growcer, wie hier Zukunft entwickelt wird. Das Gemüse wächst in der Halle in die Höhe: Vertical Farming. So beherbergt die Halle im ehemaligen Güterbahnhof in Basel auf rund 400 Quadratmetern eine Anbaufläche von gut 1‘500 Quadratmetern Kulturland. Geht es nach Growcer, könnten künftig in urbanen Gebieten in leerstehenden Industriegebäuden grosse Kulturen an Gemüse, Kräutern und Beeren bepflanzt und geerntet werden. Florian ist überzeugt von der Idee: "2050 werden neun Milliarden Menschen auf der Welt leben, die Mehrheit in Städten. Wir müssen überlegen, wie wir sie jeden Tag mit frischen Lebensmitteln versorgen können und sollten deshalb neue Wege beschreiten." Seine Rolle sieht er primär als Technologieentwickler und Lieferant, doch dazu später.

Perfektes Klima

In der Indoorfarm sind die klimatischen Bedingungen wie Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit den Pflanzen exakt angepasst. Statt Salate in der Nebensaison aus dem 2000 Kilometer entfernten Süden her zu karren, baut man sie einfach in der Stadt an, wo sie konsumiert werden. Und zwar unabhängig von der Jahreszeit. Ziel ist es, anti-zyklisch zu produzieren. Das vermeidet Importe und reduziert Food Waste auf ein Minimum. Die Bewässerung erfolgt in einem geschlossenen Kreislauf. Sie versorgt die Kulturen gezielt mit Nährstoffen, das spart bis zu 90% Wasser im Vergleich zum klassischen Gemüseanbau.

 

Damit der Wasabi-Rucola, der Pak Choi, die verschiedenen Salate oder Rucola und Beeren optimal wachsen, setzt Growcer stark auf Technologie und Software. Die idealen Bedingungen sind das eine - das andere ist die Automatisierung der Farm. Denn wo heute noch viel Handarbeit zu leisten ist, sollen künftig Roboter vollautomatisch produzieren. Ebenso spielt die Verarbeitung von Videodaten der Pflanzen eine grosse Rolle, um die Roboter entsprechend zu steuern.

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In einem Lagerhaus wächst dank Robotik und 5G frisches Gemüse.


5G als Bindeglied

Cloud Computing und 5G spielen dafür eine Schlüsselrolle. In der urbanen Farm fallen riesige Datenmengen für die Robotersteuerung und die Videoerkennung an, die eine hohe Rechenleistung zur Verarbeitung erfordern. Die gesamte Verarbeitung erfolgt in der Cloud. Hier kommt 5G ins Spiel – es ist das Bindeglied zwischen der Farm vor Ort und der Cloud. Florian erklärt: "5G und die Cloud helfen uns als Startup, sehr schmal und sehr schlank zu starten. Wir können dort Kosten sparen, wo es darauf ankommt. Denn bei den Lebensmitteln wollen wir keine Kompromisse eingehen."

 

Das Startup sieht einen weiteren Vorteil von 5G in seiner Flexibilität: "Die Farm in Basel könnten wir an einem beliebigen anderen Ort replizieren. Mit 5G können wir eine weitere Farm mit grosser Kostenersparnis bauen, weil wir via 5G alles zentral verarbeiten und steuern können, ohne für jede Farm die gesamte Rechenleistung anschaffen zu müssen."

Farmer oder Softwareentwickler?

Das Modell Growcer hat Vorbildcharakter. Kein Wunder, ist Growcer inzwischen auch am arabischen Golf tätig. Bislang ist die Region von einer hohen Importquote abhängig, die eigene Lebensmittelproduktion ist durch die energieintensive Wassergewinnung erschwert. Wird Growcer künftig selbst zum Farmbetreiber? "Nein", sagt Florian, "wir bauen die Technologie und andere betreiben die Farm. Das kann übrigens auch für Schweizer Landwirte interessant sein, um ihre Produktion in der Nebensaison zu ergänzen."

 

Für Growcer als 5G Anwender der ersten Stunde ist die neue Mobilfunktechnologie ein Türöffner, welche ihr Geschäftsmodell erst möglich macht. "Ich wünschte mir, dass man 5G als Schlüsseltechnologie und als Chance wahrnimmt, nicht als Bedrohung", sagt der visionäre Unternehmer Florian. Er ergänzt: "Man sollte vielmehr auf die Vorteile statt Vorurteile blicken."

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