Weniger Pestizide dank künstlicher Intelligenz

5G und Gaming-Hightech auf dem Rapsfeld erhalten die Biodiversität

Gaming-Hightech, künstliche Intelligenz und Mobilfunk können den Einsatz von Pflanzenschutzmittel massiv reduzieren – bis 95 Prozent. Ein Westschweizer Start-up ist vorne dabei.

Text: Michael Lieberherr, Bilder: Ecorobotix, 01

Am Einsatz von Pestiziden scheiden sich die Geister, denn es geht um Lebensmittel. Die eine Seite argumentiert mit der Versorgungssicherheit, die andere Seite fordert den totalen Verzicht. Der gesellschaftliche Trend ist klar, die Akzeptanz für den Einsatz von Chemie sinkt. Gaming-Hightech, künstliche Intelligenz und Mobilfunk können die Menge an Pestiziden massiv reduzieren. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern die Mission des Start-ups Ecorobotix aus Yverdon.

Ecorobotix hat sich auf landwirtschaftliche Maschinen spezialisiert, die sie hochtechnologisch ausrüstet. Der Weg dahin war jedoch lang, wie einer der Gründer, Steve Tanner, erklärt: «Als wir die erste Idee für ein autonomes Gerät hatten, war der Markt noch nicht reif genug.» Das Start-up begann mit einem autonomen Fahrzeug, das solarbetrieben auf dem Feld fuhr. Als Konzept sprach alles dafür: verminderte Bodenverdichtung, saubere Sonnenergie sowie die vollautonome Funktion. Das 2014 gegründete Start-up gewann mit seinen Anwendungen seit 2015 zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2017 die Swisscom StartUp Challenge.

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So funktioniert der intelligente Sprühanhänger «ARA» von Ecorobotix.

Charmeoffensive für die Akzeptanz

Bis die Technologie den Weg auf viele Felder fand, sollte noch einige Zeit vergehen. Steve Tanner erzählt: «Die Akzeptanz eines vollautonomen Geräts war kaum da. Traktoren sind Emotionen. Es ist wie beim Autofahren. Assistenz ja, volle Übernahme nein. Der Roboter würde vielen Bauern das wegnehmen, was sie gerne machen.» Das Start-up kam zum Entschluss, den Roboter als Traktoranhänger zu adaptieren. Steve Tanner sagt dazu: «Als unsere Mitarbeitenden aus den Sommerferien 2020 zurückkamen, erklärten wir ihnen, dass wir unsere Technologie des ultrapräzisen Besprühens nicht auf einen Roboter bauen, sondern an den Traktor – als Anhänger. In wenigen Wochen war der Prototyp gezeichnet und in der eigenen Werkstatt gebaut.»

 

Der Anhänger wurde zwar neu gebaut, das Wissen für die Anwendung hat sich Ecorobotix aber über Jahre erarbeitet. Auf dem Anhänger vereint sind Hightech-Grafikchips aus dem Gaming-Umfeld, Hochleistungskameras, Rechner sowie eine Mobilfunkanbindung. Steve Tanner führt aus: «Unser Anhänger erkennt auf dem Feld Unkraut und besprüht dieses während der Fahrt zielgenau mit einer Auflösung von mindestens acht Mal drei Zentimeter. Dafür sind auf rund sechs Metern Breite alle vier Zentimeter Sprühdüsen angebracht.» Konventionell fährt ein Traktor über das Feld und bringt die Pestizide über das gesamte Feld aus.

Neues Unkraut per Softwareupdate erkennen

Damit das funktioniert, filmen sechs Kameras das Feld und speisen die Daten in den Rechner. Dieser wiederum erkennt mittels künstlicher Intelligenz die Pflanze auf der Aufnahme. Bei einer Blacke (Ampfer) oder einem anderen Unkraut gibt der Rechner praktisch in Echtzeit den Befehl an die Düse über dem erkannten Unkraut, eine dosierte Menge des Pestizids zielgenau auf die Pflanze zu spritzen. Mit regelmässigen Softwareupdates wird die Maschine laufend verbessert. Das System ist inzwischen schlau genug, dass es Pflanzen auf dem Feld erkennt, die es bereits bespritzt hat. Die Pflanzenerkennung von Ecorobotix vermindert bereits heute den Mitteleinsatz um bis zu 95 Prozent, weil nur das Unkraut bespritzt wird und nicht die eigentlichen Nutzpflanzen.

 

Steve Tanner erklärt: «Das schützt die Umwelt. Es reduziert die chemischen Rückstände in unserem Trinkwasser und in unseren Lebensmitteln. Und Landwirte sparen Geld. Ausserdem steigert es die Ernteerträge leicht, weil die Chemie für die Kulturpflanzen schädlich ist.» Denn mit dem reduzierten Chemieeinsatz sind Pflanzen gesünder. Gesündere Pflanzen sind widerstandfähiger gegen Krankheiten und wachsen besser. Der leichte Mehrertrag für den Bauern ist somit auch ein ökonomischer Gewinn.

Echtzeitvernetzung über Mobilfunk

Für die weiteren Entwicklungsschritte kommt die Echtzeitvernetzung mit Mobilfunk ins Spiel. Steve Tanner erklärt: «Unsere Anwendung kann auch ohne Netz funktionieren. Das ist elementar, denn in vielen Ländern gibt es auf den Feldern kaum oder gar keine Verbindung. Mobilfunk und insbesondere 5G helfen uns aber, die Maschinen zu verbessern und die Präzision zu erhöhen.» Mit dem Austausch von Echtzeitdaten kann Ecorobotix vertiefte Datenanalysen durchführen. Damit lässt sich die Unkrautentwicklung über die Zeit anzeigen, oder die Maschinen erfassen den Gesundheitszustand der Pflanzen anhand von Wachstum, Pilz- oder Insektenbefall. Steven Tanner fasst zusammen: «5G trägt zu einer besseren Verbindung mit unseren Maschinen bei, so können wir ihre Wirkungskraft verbessern. Effizientere Maschinen reduzieren die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft. Das ist eine gute Neuigkeit für die Natur – und für unsere Lebensmittel.»


Ecorobotix und Swisscom

Ecorobotix gewann 2017 die StartUp Challenge von Swisscom. 2021 investierte Swisscom Ventures in einer sogenannten Serie-C-Runde in Ecorobotix. Zudem unterstützt Swisscom Ecorobotix mit ihrer 5G-Kompetenz.





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