5G in der Industrie
Wie die Fabrik von morgen aussehen könnte, war in Solothurn schon im März zu sehen. Zusammen mit dem Medizinaltechnik-Hersteller Ypsomed testet Swisscom den Einsatz von 5G im industriellen Umfeld.
Ypsomed ist führender Entwickler und Hersteller von Pens, Autoinjektoren und Pumpensystemen zur Verabreichung flüssiger Medikamente. Ypsomed hat nun als erster Industriepartner von Swisscom die neue Mobilfunkgeneration 5G in der laufenden Produktion getestet. Im Rahmen des Pilotprojekts wurden die Produktionsprozesse von Ypsomed für Injektionspens über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg digitalisiert.
Ypsomed nutzt die 5G-Technologie zur Digitalisierung der Warenverfolgung durch den ganzen Produktionsprozess. Dies wird ermöglicht durch Indoor-Lokalisierung. Weitere Anwendungen sind die Echtzeit-Auswertung von Maschinendaten, die Virtualisierung von Computer-Ressourcen sowie die Qualitätsprüfung mittels Einsatz von Augmented-Reality-Technologien.
In Mexiko benötigt die Produktion mehrere hundert Arbeiter und eine riesige Fläche. Dank den Möglichkeiten von 5G kann die gleiche Leistung mit einem Bruchteil der Ressourcen erbracht werden. Die Produktion von Ypsomed generiert eine enorme Menge an Daten, die umgehend verarbeitet werden muss. «Um die Kosten in der Schweiz tragen zu können, muss die Maschine rund um die Uhr unterbruchsfrei laufen, sonst würde sich das nicht rechnen», erklärt Ypsomed-CEO Simon Michel.
Simon Michel macht kein Geheimnis daraus: Vollautomatisierte Produktionen brauchen weniger, aber besser qualifizierte Mitarbeiter. Genau deshalb werden nun in den 80ern und 90ern ausgelagerte Produktionen von günstigen Entwicklungsländern in hochentwickelte Industrieländer zurückverlagert. «Das ist die letzte Chance für die Schweizer Industrie.», sagt der CEO.
Die Maschinen von Ypsomed produzieren unter anderem Insulin-Pens, wie sie Diabetiker benötigen. Diese Kugelschreiber-grossen Spritzen durchlaufen einen automatisierten Prozess, werden während den Produktionsschritten in Echtzeit lokalisiert und sind im SAP abrufbar. Möglich machen das Sensoren an den Warenkisten und eine lokale 5G Mobile Edge Cloud bei Ypsomed. Befindet sich eine Ware nicht am richtigen Ort, schlägt das System Alarm. Was bisher mühsam mit dem Einscannen von Strichcodes erfolgte, läuft dank 5G nun automatisch und in Echtzeit.
Positionsdaten von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Produkten werden auf einem reservierten Network Slice verarbeitet und an SAP in der Mobile Edge Cloud weitergeleitet.
Die Produktionsmaschinen von Ypsomed müssen unterbruchsfrei laufen, damit in möglichst hoher Qualität und kosteneffizient produziert werden kann. Dank einer Softwarelösung die in der lokalen Mobile Edge Cloud implementiert ist, werden mit 5G riesige Datenmengen (zum Beispiel Temperatur und Produktionsangaben) der Produktionsmaschinen in Echtzeit gesammelt. Durch die Analyse dieser Daten lässt sich auch prädiktives Management betreiben: So kann beispielsweise vorausgesagt werden, wann ein bestimmter Teil einer Fertigungsanlage ersetzt oder repariert werden muss. Damit lassen sich Ausfälle verhindern und der Ersatz oder die Revision einer Maschine wird planbar.
Spritzgussmaschine produziert Daten.
Bisher hatte jede Maschine ihren eigenen integrierten Computer. In einer über 5G vernetzten Produktionsumgebung läuft die Software nicht mehr in der Maschine, sondern virtualisiert auf der Mobile Edge Cloud. So können Mitarbeitende via Tablet auf jede Maschine zugreifen und sich in der Produktionshalle frei bewegen. Ypsomed spart damit Hardware-, Software- sowie Wartungskosten.
In einer über 5G vernetzten Produktionsumgebung läuft die Software nicht mehr in der grossen Maschine, sondern virtualisiert auf der Mobile Edge Cloud.
Ypsomed führt regelmässig Tests zur Qualitätssicherung durch. Bisher haben Mitarbeitende die Produkte an einer Prüfstelle geprüft und anschliessend die Daten im SAP im Büro erfasst. Mittels einer Augmented-Reality-Brille überprüfen Mitarbeitende jetzt die Qualität direkt in der Halle. Dank dieser Entwicklung wird der Qualitätssicherungsprozess immens vereinfacht und beschleunigt.
Dank Augmented Reality werden visuelle Qualitätskontrollen, zum Beispiel durch holografische Brillen (Hololens), vereinfacht.
«Die Zusammenarbeit mit Unternehmen ist für die Entwicklung von 5G sehr wichtig. Denn es braucht Mobilfunkwissen und es braucht Software-Wissen, beides hat Swisscom. Doch es braucht auch Domänenwissen, das hat der Kunde. Nur gemeinsam lassen sich vielversprechende 5G-Lösungen entwickeln. 5G wird der nächste grosse Technologieschritt sein, der nebst noch effizienteren Prozessen auch ganz neue Anwendungen ermöglichen wird», so Simon Michel, CEO von Ypsomed.
«5G wird der nächste grosse Technologieschritt sein.»
Simon Michel, CEO Ypsomed
«Die Resultate, die wir mit 5G bei Ypsomed in der Produktion erzielt haben, haben unsere Erwartungen übertroffen und geben einen ersten Eindruck, was die Zukunft bringen wird», sagt Heinz Herren, CIO und CTO von Swisscom.
«Die Resultate haben unsere Erwartungen übertroffen.»
Heinz Herren, CIO + CTO bei Swisscom
5G Gateway. Weiter bietet eine 5G-Basisstation, von denen es schweizweit erst eine Handvoll gibt, was vielerorts noch ganze Keller füllt: Nämlich die komplette IT. Auch das macht 5G möglich - den nahtlosen Betrieb direkt aus der Cloud.
Mobile Edge Cloud ist eine Technologie, bei welcher sich Computing-Ressourcen direkt bei oder in der 5G-Basisstation befinden. Sie baut dabei auf dem Konzept des allgemeinen Edge Computing auf. Dadurch lassen sich IT-Prozesse in der Produktion lokal und direkt steuern. Dies erhöht die Reaktionszeit in der gesamten Produktion massiv.
Durch den Einsatz von Network Slicing erhalten einzelne Anwendungen reservierte und garantierte Netzkapazitäten. Das ist von entscheidender Wichtigkeit für einen Fabrikationsbetrieb. Denn schon nur eine kurze Netzschwankung kann einen Produktionsstopp und hohe Ausfälle zur Folge haben. Mit einem Network Slice wird sichergestellt, dass sämtliche Daten zwischen der Maschine und der Mobile Edge Cloud nur lokal transportiert werden. Das heisst, innerhalb der Fabrik über das Mobilfunknetz und nicht wie herkömmliche Mobilfunkdaten über das gesamte öffentliche Netz.
Die Reaktionszeit oder Latenz bezeichnet die Zeitdauer die benötigt wird, um ein Datenpaket von einem Sender (meist das Handy oder das IoT-Gerät) bis zum Empfänger (Applikation oder eine Datenbank) zu übertragen. Die Ende zu Ende Latenz beinhaltet zusätzlich die Zeitdauer für das Übertragen der Antwort des Empfängers an den ursprünglichen Sender.
Die Virtualisierung beschreibt das universelle Konzept, dass Applikationen unabhängig von spezifischer Hardware installiert und betrieben werden können. In den vergangenen Jahren ging die Virtualisierung in der Regel mit einer Zentralisierung einher. Das heisst, Applikationen wurden auf Cloud Datenzentren installiert anstatt auf ausgewählter Serverhardware lokal beim Kunden. Die unabhängige Installation von Software auf beliebiger Hardware erlaubt eine bessere Auslastung der Hardware.
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