Hartnäckiger Handy-Mythos
Hört unser Handy mit, ohne dass wir’s merken?
Kann es Zufall sein, dass mir auf Social Media ein Produkt angeboten wird, über das ich kurz zuvor mit einem Freund gesprochen habe? Ja, kann es. Meistens spielen aber andere, manchmal erst auf den zweiten Blick plausible Gründe eine Rolle. Ob das Handy in unserem Alltag dennoch verboten mitlauscht, kann aber trotzdem nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden – leider. Hier ein Annäherungsversuch an einen der bekanntesten und hartnäckigsten Handy-Mythen überhaupt.
Vielleicht kennst du eine solche oder ähnliche Begebenheit – oder du hast es selbst schon erlebt: Du sitzt mit einem Freund beim Mittagessen und ihr unterhaltet euch ausführlich über irgendein Produkt – nehmen wir an, es geht um Staubsauger-Roboter. Nach dem Kafi gehst du zurück ins Büro, irgendwann in der Pause checkst du deine Social-Media-Kanäle. Und siehe da! Da taucht doch tatsächlich die Werbeanzeige eines neuen Staubsauger-Roboters bei dir in der Timeline auf – jetzt zuschlagen! Preis gesenkt! Die Gelegenheit ist günstig! Wie kann das bloss sein? Wurdest du beim Mittagslunch etwa belauscht – von deinem eigenen Smartphone, das unverdächtig auf dem Tisch lag? Fakt ist: Dass ein Staubsaugerverkäufer am Nebentisch sass, und sich dieser den Spass (respektive: die Mühe) gemacht hat, deinen Insta-, TikTok- oder Facebook-Feed in Rekordzeit zu bespielen, ist die mit Abstand unplausibelste Variante von allen. Dein Freund, mit dem du am Tisch gesessen hast, hat mit der Sache selbstverständlich auch nichts zu tun. Aber wer dann?
Der Freund Zufall
Tatsächlich kann es sein, dass es einfach Zufall war. Denn Zufälle gibt es im Leben bekanntlich immer mal wieder. Das gilt auch für die digitale Welt. Sollte dir sowas also in vielen Jahren nur einmal passiert sein, sei beruhigt und hake es mit einem Schmunzeln ab. Sachen gibt’s! Pff …
Der Zufall, der kein Zufall ist
Oftmals lässt sich ein «Zufall» aber auch erklären. Und dann ist es eben kein Zufall mehr. Bezogen auf das erwähnte Beispiel: Wenn du mit deinem Kumpel über Staubsauger-Roboter gesprochen hast, dann hast du dich vielleicht vor (oder nach) dem Mittagessen schon mal über solche Produkte, einzelne Modelle oder verschiedene Hersteller informiert online. Vielleicht hast du dir auf YouTube auch schon mal einen Erfahrungsbericht oder ein Unboxing-Video angeschaut? Einen Erfahrungsbericht gelesen oder dich in einem Onlineshop umgeschaut? Dann ist die Chance, dass dir ein eine entsprechendes Werbeangebot ausgespielt wird, gross. Dass du deine Social-Media-Plattformen nämlich «kostenlos» (also ohne Monats- oder Jahresgebühr) nutzen kannst, hängt damit zusammen, dass du dafür gleichwohl bezahlst: nämlich mit deinen Daten. Deine Interessen, deine Suchergebnisse, Clips, die du dir anschaust, Artikel, die du liest, Dinge, die du likest: Alles wird von den Betreibern fleissig im Hintergrund aufgezeichnet. Und dank personalisierter Werbung erhalten Unternehmen die Gelegenheit ihre Artikel dann genau an jene Zielgruppen auszuspielen, die affin sind für das entsprechende Produkt oder die Dienstleistung. Mit «Zufall» hat das weit und breit nichts zu tun. Es ist schlicht das Geschäftsmodell von Google, Facebook & Co. Abgekürzt könnte man sagen: Die Algorithmen der grossen Tech-Konzerne sind inzwischen so ausgeklügelt und mächtig, dass sie Dinge über uns, unser Verhalten und unsere Wünsche herausfinden, die wir kaum für möglich halten würden auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick dann eben: doch. Je mehr wir online sind, desto durchschaubarer werden wir. Das sind keine schönen Nachrichten. Aber es ist die Realität.
Gründe, die gegen das Abhören sprechen
Und trotz aller sonstiger Erklärungen: Die Verunsicherung vieler Handynutzerinnen und -nutzer ist und bleibt gross. Denn seien wir ehrlich: Abhören wäre für ein modernes Smartphone doch eigentlich recht einfach, rein technisch betrachtet. Wieso sollte ein Gerät auf «Hey Siri» oder «Hey Alexa» reagieren, sobald wir diese Worte aussprechen, ohne auf dem Gerät sonst irgendwas gedrückt oder gemacht zu haben? Wieso kann ich im Auto sitzen und sagen: «Hey Mercedes, mir ist kalt», worauf der Wagen subito antwortet und die Heizung aufdreht? – Weil das Auto uns eben zuhört. Nun werden die Hersteller – ob vom Auto, vom Smart-Speaker oder eben dem Handy – natürlich nicht müde zu betonen, dass die Geräte nur auf die entsprechenden Impuls-Befehle reagieren, und den ganzen Rest ignorieren respektive nicht belauschen. Doch wer belegt uns, dass das wahr ist?
Der ultimative Beweis, dass ein unbemerktes Abhören nicht stattfindet, wäre möglich, wenn die Techkonzerne den Programmcode ihrer Apps & Systeme offenlegen würden. Doch die denken nicht daran. Sie hüten Ihre hochkomplexen Algorithmen wie den heiligen Gral – mutmasslich kennen nicht mal ranghohe Mitarbeiter im innersten Zirkel von Google, Facebook & Co. die komplette Systematik ihrer eigenen Software – sondern höchstens Teile davon. Das Grosse und Ganze bleibt somit stets geschützt und kann nicht an einen anderen Konzern weitergegeben werden. Eine gewisse Grundskepsis gegenüber der Abhör-Thematik ist also durchaus angebracht.
Dennoch möchten wir euch beruhigen. Indem wir zumindest auf Indizien-Basis aufzeigen, wieso ein systematisches Mitlauschen eher unwahrscheinlich ist:
Es ist streng verboten. Ohne dein Wissen und die explizite Einwilligung von dir ist es verboten, dich zu belauschen. Das gilt übrigens nicht nur für Apps & Co. Auch wer beispielsweise seine Putzkraft zu Hause ohne ihr Wissen über eine smarte Überwachungskamera beobachtet, macht sich strafbar.
Es verursacht einen riesengrossen Schaden. Stell dir vor, es käme heraus, dass ein renommierter Global-Player wie Apple, Google oder Meta (Facebook-Mutterkonzern) unerlaubte Daten aufzeichnet oder – noch schlimmer – an Dritte weitergibt, also weiterverkaufen würde. Der Reputationsschaden wäre unermesslich: Das Vertrauen in die Marke und ihre Produkte wäre auf einen Schlag dahin, die finanziellen Folgen verheerend. Mal ganz abgesehen von (Sammel-) Klagen und Bussen, die ein solches Geschäftsgebaren nach sich ziehen würde. Im Zeitalter von Leaks und Whistleblowern wäre dieses Risiko selbst für Milliardenkonzerne, die sich bisweilen für unantastbar halten, wohl als zu hoch einzustufen. Auf diesen Standpunkt stellen sich jedenfalls Beobachter und Kenner der Szene.
Es hinterlässt verdächtige Spuren. Bleiben wir beim Risiko: Das dauerhafte Mitschneiden und Aufzeichnen von Gesprächen – rund um die Uhr – wäre ein enormer technischer Aufwand, so viel steht fest. Denn egal, ob die ganze Datenflut konstant auf einen Cloudserver übermittelt oder direkt in der App auf dem Gerät verarbeitet und ausgewertet würde: Beides würde Spuren hinterlassen. Es würde zwangsläufig zu erhöhtem Datenverkehr führen und/oder den Prozessor und somit den Akku des Gerätes belasten. Die Gefahr, dass Experten solchen Unregelmässigkeiten auf die Spur kämen und das unerlaubte Abhören letztlich entlarven würden, wäre gross. Nicht nur in Techkonzernen sitzen hochintelligente Leute, die smarte Systeme zur Verfügung haben – es gibt sie auch ausserhalb.
Du siehst, es gibt durchaus auch plausible Gründe, die dafürsprechen, dass dein Smartphone dir nicht die ganze Zeit über zuhört. Und folgender Gedanke ist abschliessend vielleicht auch noch interessant: Achte mal darauf, wie oft dir online auch Dinge begegnen, die null Relevanz für dich haben – weil sie dich absolut nicht interessieren. Solche Werbeanzeigen oder Artikel ignorierst du. Sie fallen dir kaum auf und kommen dir nicht bedenklich vor. Verdächtig – und das haben wissenschaftliche Experimente zuhauf belegt – erscheinen uns vor allem Dinge, die den Anschein des Zufalls erwecken und so besondere Aufmerksamkeit in uns erzeugen. Ist dir schon mal aufgefallen, dass du plötzlich viele weisse Autos derselben Marke auf der Strasse siehst – aber erst, seitdem du selbst so eines fährst? Du weisst, dass es genau gleich viele davon gibt wie zuvor. Es macht dir hier also niemand was vor – höchstens du dir selbst.
Wir wünschen dir weiterhin viele spannende Gespräche am Mittagstisch! Und falls du zu Hause einen Staubsauger-Roboter installieren möchtest: Den gibt’s hier bei uns im Swisscom Shop.
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