Gestellte, aber nicht bezahlte Rechnungen können zu Liquiditätsengpässen führen. Wer kurzfristig Geld benötigt, kann sich Forderungen vorfinanzieren lassen. Dank neuen Online-Plattformen wird das sogenannte Factoring immer einfacher – und beliebter. Und passt bestens zu Start-ups wie Battere.
Jungen und rasch wachsenden Unternehmen fehlt es häufig an Liquidität. Denn zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang können je nach Zahlungsmoral der Kunden Wochen oder sogar Monate vergehen – Zeit, die eine ganze Existenz ruinieren kann. Es gibt aber eine Möglichkeit, sich vor Zahlungsverzügen und -ausfällen zu schützen: Factoring heisst das Instrument, mit dem Firmen Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen vorfinanzieren können.
Factoring ist eigentlich ein Kerngeschäft der Banken. Ihnen machen nun neue und agile Online-Plattformen das Geschäft streitig. Eine davon ist Advanon, die in der Schweiz als erste die Rechnungsfinanzierung automatisiert und flexibilisiert hat. «Wir verschaffen KMU einen schnellen und einfachen Zugang zu Liquidität», sagt Marketingleiter Daniel Abebe.
Die vor zwei Jahren gegründete und mehrfach preisgekrönte Advanon wickelt hierzulande fast das ganze Online-Factoring-Volumen ab, das von der Hochschule Luzern (HSLU) auf 17 Millionen Franken beziffert wird. Dass die Summe vor zwei Jahren noch unter einer Million Franken lag, zeigt, wie beliebt die Finanzierungsform geworden ist. Dabei steht der Boom laut den Wissenschaftlern erst am Anfang.
Online-Marktplatz für KMU und Investoren
Advanon fungiert als Vermittler zwischen den KMU, die Rechnungen vorfinanzieren wollen, und Investoren, die liquide Mittel investieren möchten. Bedingung ist, dass die Firma mindestens ein Jahr alt ist und die Rechnungen auf Unternehmen und nicht auf Privatpersonen ausgestellt sind.
Beim Erstkontakt muss ein Bankauszug und die Bilanz des vergangenen Geschäftsjahrs eingereicht werden. Nach der Registrierung nimmt Advanon eine Prüfung vor und erstellt ein Rating. Danach kann das Unternehmen offene Rechnungen einfach über die Plattform hochladen und den Zinssatz festlegen, den es zu zahlen bereit ist. Wenn ein Investor den Zuschlag gegeben hat, wird das Geld in wenigen Stunden überwiesen.
Ein typischer Advanon-Kunde ist wachstumsorientiert, beschäftigt zwischen zehn und 50 Mitarbeitende und erzielt zwischen einer und zehn Millionen Franken Umsatz. Einer dieser Kunden ist Andreas Braendle, Geschäftsführer der Battere AG. Die vor drei Jahren gegründete Firma vermietet mobile Powerbanks an Kioske, die sie wiederum an Kunden vermieten, die ihr Handy oder andere Geräte aufladen wollen.
Traditionelle Finanzierungsformen wie Bankkredite passten nicht zum agilen Start-up. Auf der Suche nach einer unkomplizierten und flexiblen Methode stiess Andreas Braendle auf Advanon: «Wir brauchten genau diese Schnelligkeit und Einfachheit, damit wir unsere Liquidität verbessern und die wachsende Nachfrage nach unseren Akkus bedienen konnten», sagt er. Battere habe ziemlich lange Zahlungsfristen mit den Kunden vereinbart und müsse während der Zeit Löhne und andere Betriebskosten zahlen.
«Investoren reissen sich um Rechnungen»
Advanon akzeptiert Rechnungsbeträge ab 1’000 Franken. Im Durchschnitt liegen die Beträge bei 20’000 Franken, sie gehen aber hoch bis 400’000 Franken. Die Forderungen werden zu 90 Prozent bevorschusst. «Es braucht einen Puffer für den Fall, dass die Rechnung bestritten wird», begründet Daniel Abebe die Limite. Sie diene auch als Anreiz für den Kunden, das Geld beim Debitor einzutreiben.
Zinskosten und Gebühren liegen beim Crowd-Factoring in der Regel tiefer als bei herkömmlichen Überbrückungskrediten. Aber ob Factoring günstiger ist als ein konventioneller Kredit, zeigt sich erst mit den Erfahrungswerten aus der Debitorenbuchhaltung. Die Zinsen, die sich nach der Bonität richten, sowie die Factoring-Gebühren, die insgesamt bis zu einem Prozent betragen können, werden vom eingereichten Rechnungsbetrag abgezogen.
Bei den Investoren handelt es sich meist um vermögende Privatpersonen auf der Suche nach Alternativen zu herkömmlichen Anlagen. Dass die Rechnungen in der Regel innerhalb von fünf Minuten einen Abnehmer finden, zeigt, wie gross der Anlagenotstand ist: «Die Investoren reissen sich manchmal förmlich um die Forderungen», sagt Daniel Abebe. Durchschnittliche Renditen von 10 Prozent pro Jahr sind tatsächlich verlockend. Die Investoren tragen aber auch das ganze Risiko. Die realisierten Verluste auf der Plattform liegen unter einem Prozent.
Mittlerweile zählt Advanon 35 Mitarbeitende und 200 Kunden. Um Bekanntheit und Reputation zu steigern, sucht das Unternehmen die Nähe zu etablierten Finanzinstituten und baut mit ihnen Partnerschaften auf. Mit der Basellandschaftlichen Kantonalbank, der Hypothekarbank Lenzburg und dem Versicherer Axa sind bereits Factoring-Marktplätze entstanden. Ihr Name ist Programm: Sie heissen Hypicash, KMUcash und Flexcash.
Titelbild: Andreas Braendle, Co-Founder und CEO von Battere. Foto: Boris Baldinger