Blockchain – ein Begriff, der gemischte Reaktionen auslöst. Doch die Technologie taugt nicht nur für Spekulationen mit Kryptowährungen. Sondern auch, um neue Geschäftsmodelle in KMU umzusetzen. Wie das gehen kann, zeigt beispielhaft das Unternehmen daura.
Taugt Blockchain-Technologie für geschäftliche Anwendungen ausserhalb von Kryptowährungen? Ja, sagt dazu Peter Schnürer, CEO der daura AG. Das Unternehmen führt auf Blockchain-Basis digitale Aktenregister für KMU und ermöglicht die Durchführung virtueller Generalversammlungen.
Doch der Reihe nach.
2008 präsentierte eine Person oder Gruppe unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein dezentrales, öffentliches System, um Transaktionen der Kryptowährung Bitcoin zu beglaubigen und festzuhalten. Dezentral deshalb, weil beliebige Personen sich an der Beglaubigung der einzelnen Einträge – Blöcke – beteiligen können. Bei diesem Vorgang, dem sogenannten Mining, werden mittels kryptografischen Verfahren Echtheit und Reihenfolge der Blöcke validiert. Diese sind so miteinander verkettet, dass eine nachträgliche Manipulation die Verbindung zum nächsten Block sprengen und damit sofort aufgedeckt würde. Jeder Mineur speichert selbst eine Kopie der Blockchain, weshalb der Ansatz auch als «Distributed Ledger Technology» (DLT) bezeichnet wird, sinngemäss auf Deutsch etwa «Technologie für ein dezentrales Hauptbuch».
Für KMU findet sich ein Weg zu neuen Anlegern
Absender und Empfänger einer Transaktion werden ebenfalls über kryptografische Verfahren identifiziert. Eine zentrale Kontrollstelle entfällt. Oder, wie es Peter Schnürer ausdrückt: «Mit unserem Aktienregister können Unternehmen selbst Aktien ausstellen und zuteilen, etwa für Gründer, Geschäftsinhaber und Mitarbeiterbeteiligungen.» Der Vorteil für nicht börsenkotierte Unternehmen: Eine zentrale Kontrollstelle entfällt, was einerseits die Emission von Aktien beschleunigt und andererseits die Kosten senkt. «Wir sind gewissermassen eine digitale Druckmaschine für Aktien», fasst Peter Schnürer den Zweck von daura zusammen.
«Wir sind gewissermassen eine digitale Druckmaschine für Aktien»
Peter Schnürer, daura
Das ermöglicht KMU einen neuen Umgang mit Aktien. Sie können Emissionen selbst durchführen, sei es, um neue Aktionäre zu beteiligen oder um eine Kapitalerhöhung durchzuführen. «Das ist ein Game Changer», sagt dazu Peter Schnürer. «daura ermöglicht KMU den Zugang zu neuen Anlegergruppen.»
Kein Paradox: bei der Blockchain entscheidet das Vertrauen
Peter Schnürer setzt mit daura allerdings nicht auf eine öffentliche Blockchain wie diejenige von Bitcoin oder auf die Ethereum-Plattform. Sondern auf die private Blockchain «Swiss Trust Chain» von Swisscom und Post. «Privat» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Swisscom und die Post Einträge validieren und sich dabei gegenseitig kontrollieren. Hier sind es also vertrauenswürdige Partner im Unterschied zu einer öffentlichen Blockchain mit unbekannten Teilnehmern. Dadurch geht der Einigungsvorgang – aufwändige kryptografische Berechnungen – bedeutend schneller und effizienter. Folglich benötigt er auch viel weniger Energie für Strom und Kühlung, als wenn sich wie bei Bitcoin eine grosse Zahl von Rechnern ein Wettrennen darum liefern, wer die Blöcke als erster validiert. «Mit der Swiss Trust Chain bieten wir Unternehmen aus regulierten Branchen wie Gesundheitswesen, Energieversorgung und Finanzindustrie eine sichere Plattform für digitale Transaktionen», beschreibt Roland Cortivo, Head of DLT Infrastructure bei Swisscom, den Zweck.
Bei der Swiss Trust Chain sind die Daten sicher in Schweizer Rechenzentren abgelegt und nicht über die ganze Welt verstreut. «Für Unternehmen ist es wichtig zu wissen, dass ihr digitales Aktienregister in der Schweiz gespeichert ist», sagt Peter Schnürer dazu. «Das schafft mehr Vertrauen in die Technologie als bei einer öffentlichen Blockchain.»
Mit der Blockchain digitale Güter verwalten
In den Anwendungsmöglichkeiten unterscheiden sich dagegen private und öffentliche Blockchains nicht. «Die Technologie ist prädestiniert für die Aufbewahrung und den Handel von Vermögenswerten aller Art», sagt dazu Peter Schnürer. «Transaktionen und Verträge lassen sich automatisiert und rechtssicher abwickeln, das ist einer der grossen Vorteile gegenüber herkömmlichen Ansätzen.» Dabei handle es sich aber nur um die erste Evolutionsstufe, die noch sehr nahe an den Kryptowährungen liege.
Peter Schnürer kann sich in Zukunft gut vorstellen, dass Blockchains generell für die Verwaltung von Eigentumsrechten genutzt werden. Einen Schritt in diese Richtung hat daura bereits getan. Als die Coronakrise physische Versammlungen verunmöglichte, zog das Unternehmen die Entwicklung einer Funktion für die digitale Durchführung einer Generalversammlung vor. «Das eignet sich vor allem für ausserordentliche GVs, bei denen Entscheide im Vordergrund stehen und nicht das persönliche Treffen», sagt Peter Schnürer dazu.
An einer solchen virtuellen GV nehmen die Aktionäre vom PC aus teil. Die Autorisierung und damit der Zutritt erfolgt direkt über die Blockchain. Weil die Person mit ihrem Aktienanteil verknüpft ist, stehen damit auch die Stimmrechte fest, und Abstimmungen lassen sich per Knopfdruck abwickeln. So hat etwa das Fintech-Start-up YAPEAL kürzlich seine GV erfolgreich virtuell durchgeführt. Peter Schnürer ist überzeugt, dass solche virtuellen Ansätze auch in Zukunft bestehen bleiben: «Die Digitalisierung ist sowieso ein Wachstumsbereich. Und auch die Signale unserer Kunden gehen eindeutig in diese Richtung.»
Tipps für KMU: der Einstieg in die Blockchain
Sie möchten in Ihrem Unternehmen eigene Anwendungen und Geschäftsmodelle auf Blockchain-Basis umsetzen? Peter Schnürer empfiehlt als ersten Schritt ein Vorgehen nach diesem Fragekatalog:
- Ist der Use Case geeignet? Sind Faktoren wie eine revisionssichere Protokollierung und die automatisierte Abwicklung von Verträgen und Transaktionen wichtig?
- Wie steht es um die Vertrauenswürdigkeit der beteiligten Partner? Wie sieht das Partner-Ökosystem aus, also die ins Projekt involvierten Parteien?
- Liesse sich das Vorhaben auch auf konventionellem Weg umsetzen, also mit einer zentralen Datenbank? Oder ergeben sich Vorteile aus dem dezentralen und automatischen Ansatz?
- Handelt es sich um ein neues oder überarbeitetes Geschäftsmodell, das die spezifischen Eigenschaften einer Distributed-Ledger-Technologie auch nutzen kann?