Sitzungen per Videokonferenz sind anstrengend und anspruchsvoll, weil die nonverbale Kommunikation fast völlig wegfällt. Doch mit einfachen Tricks lässt sich das kompensieren.
Ein schneller Seitenblick auf den Kollegen zeigt: Er stimmt mir zu. Ein sachtes Zurücklehnen mit verschränkten Armen signalisiert dem Gegenüber: Dieser Vorschlag kommt nicht gut an. Was in persönlichen Sitzungen eingespielte Rituale sind, fällt in Videokonferenzen völlig weg. Das öffnet Raum für Missverständnisse. Christoph Hoffmann, Psychologe mit Schwerpunkt Arbeitsorganisation an der ZHAW, beantwortet die wichtigsten Fragen.
In Videokonferenzen fällt ein Teil der nonverbalen Kommunikation weg. Was bedeutet das?
Es gibt in jeder Kommunikation – unabhängig davon, wie sie geführt wird – eine inhaltliche Komponente und eine Beziehungskomponente. Werden beispielsweise einfach die monatlichen Geschäftszahlen besprochen, hat dieses Gespräch überwiegend eine inhaltliche Komponente. Geht es dagegen um die Beurteilung der Leistung eines Mitarbeitendens, kann das eine grosse Beziehungskomponente beinhalten, da mehr Emotionen mitschwingen.
Wenn die Beziehungskomponente schwierig wird, spielt die nonverbale Kommunikation eine zunehmend wichtige Rolle. Das heisst: Je stärker die Emotionen sind, desto sichtbarer zeigen sie sich auch körperlich. Diese Emotionen sind bei Videokonferenzen schwieriger zu vermitteln und auch schwieriger lesbar für das Gegenüber. Nehmen wir nur die räumliche Distanz: Jemand lehnt sich zurück, weil er mit etwas nicht einverstanden ist. Oder er rückt näher, um seinem Argument mehr körperliches Gewicht zu verleihen. Das fällt mit den Weitwinkelkameras an Notebooks und Handys nicht auf. Entsprechend wenig beeindruckt ist das Gegenüber. Im schlimmsten Fall bemerkt er das körperliche Signal nicht mal, was zu grossen Missverständnissen führen kann.
Grundsätzlich gilt: Wenn der emotionale Aspekt grösser ist als der inhaltliche Aspekt, sollte das Gespräch möglichst nicht per Videokonferenz geführt werden.
Lässt sich die fehlende nonverbale Kommunikation kompensieren?
Aktives Zuhören wie nicken, zustimmen oder schnell nachfragen hat in Videokonferenzen ein sehr grosses Gewicht. So fühlt sich das Gegenüber verstanden. Genauso wichtig ist es, sein eigenes Unbehagen sofort zu formulieren, also nicht einfach die Arme zu verschränken und sich zurückzulehnen, sondern schnell zu intervenieren und nachzufragen, sollte man mit etwas nicht einverstanden sein oder wenn man beim Gegenüber kleinste Anzeichen von Irritationen feststellt. Mit der Hand ein Zeichen zu geben, ist ein gutes Mittel, um sich bemerkbar zu machen.
«Die nonverbale Kommunikation fällt in der Notebook-Kamera gar nicht auf.»
Christoph Hoffmann
Der direkte Augenkontakt fehlt. Lässt er sich ersetzen?
Ein schwieriger Punkt. Oft genügt ein kurzer Augenkontakt zwischen zwei Menschen in einer Sitzung, um sich beispielsweise Zustimmung zu signalisieren. Dieser individuelle Augenkontakt fällt völlig weg. Es ist aber in jedem Fall wichtig, die Kamera optimal zu positionieren, damit zumindest die Illusion des Augenkontakts besteht. Die Augen sollten möglichst auf der Höhe der Kamera sein. Dann hat mein Gegenüber das Gefühl, ich schaue ihn an.
Es ist fatal, wenn die Kamera zu tief oder zu hoch hängt oder gar neben dem Bildschirm mit den Sitzungsinformationen. Dann redet man buchstäblich aneinander vorbei. Es ist ausserdem empfehlenswert, das eigene Videobild auf dem eigenen Bildschirm auszuschalten. Das kann ablenken. So kommt man einer echten Gesprächssituation noch näher.
Wie wichtig ist das zwanglose Gespräch während einer Sitzung?
Sehr wichtig! Allerdings sollte das ritualisiert werden. In normalen Sitzungen begrüssen wir uns, fragen, wie es geht usw. Das ist im realen Leben eine Selbstverständlichkeit. In einer Online-Sitzung ist das zwanglose Gespräch als Traktandum geplant. Zu Beginn sagen alle, wie es ihnen geht. Am Schluss gibt es eine Feedback-Runde. Jeder Teilnehmende sagt, was er gesehen und gehört hat, mit welchen Gefühlen er aus der Sitzung aussteigt und was er sich wünscht. Wichtig ist, dass diese Punkte nicht anklagend rüberkommen, sondern als Ich-Botschaft formuliert werden. Gutes Feedback ist schwierig und muss geübt werden.
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Was ist speziell zu beachten in Sitzungen mit vielen Teilnehmenden?
Je mehr Menschen in einer Videokonferenz sind, desto schwieriger ist aktives Zuhören. In grösseren Gruppen muss die Diskussion eng geführt und klar strukturiert sein. Gerade schwierige Gespräche, beispielsweise über Kurzarbeit, Entlassungen oder Lohnkürzungen im Betrieb müssen vom Gesprächsleiter orchestriert sein.
Es braucht nicht nur eine einfache Traktandenliste, sondern ein richtiges Drehbuch, das festlegt, wer wann zu Wort kommt. Die Teilnehmenden kriegen das Drehbuch im Vorfeld. Dieses Vorgehen gibt allen Beteiligten die nötige Sicherheit, auch wenn beispielsweise die Verbindung zusammenbricht. So wissen alle, dass sie nichts verpassen und sich noch zu Wort melden können.
Ist eine Videokonferenz mit unbekannten Personen schwieriger?
Ja. Das Hirn ergänzt bei einer mir bekannten Person sehr viele Signale, die ich per Videokonferenz nicht mitbekomme, ganz automatisch aus der Erinnerung. Das ist kein bewusster Prozess, trägt aber viel zu einer entspannten Atmosphäre bei. Bei einer unbekannten Person greift das Hirn dagegen auf generelle Erfahrungen zurück. Es kommt zum berühmten Bauchgefühl, das eben auch nicht immer verlässlich ist. Aber man sollte es ernst nehmen und bei seinem Gegenüber nachfragen. Aktives Zuhören, der richtige Einstieg ins Gespräch und Feedback am Schluss ist unter Konferenzteilnehmenden, die sich nicht kennen, noch wichtiger.
Solche Videokonferenzen sind sehr viel anstrengender. Das sollte in der Tagesplanung berücksichtigt werden und deshalb genügend Zeit insgesamt und auch für Pausen dafür vorgesehen sein.
Werden wir im Laufe der Zeit besser im Umgang mit Online-Tools?
Ja, absolut. Das Hirn gewöhnt sich an den Umgang mit diesen Tools. Es gab bei der Erfindung des Telefons ähnliche Diskussionen. Wir haben die Technologie jedoch adaptiert und heute ist Telefonieren das normalste der Welt. Wir Erwachsenen müssen beispielsweise nicht mehr überlegen, dass unser Konversationspartner unsere Gesten nicht sehen kann und integrierten die Technologie in unser Verhalten. In Videokonferenzen werden wir recht schnell fehlende Möglichkeiten kompensieren.
Zur Person
Christoph Hoffmann, dipl. Psych. FH, dipl. Ing. HTL, Studium der Psychologie mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie in Zürich. Am IAP, dem Institut für Angewandte Psychologie wirkt er als Berater und Dozent, ausserdem ist er im Zentrum für Leadership, Coaching und Change Management an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften tätig. Er ist Buchautor von «Gehirngerechte Führung» (2019) und Studiengangleiter des CAS Leadership Basic sowie von diversen Weiterbildungskursen. Während der Corona-Krise bietet er seine Weiterbildungen und Coachings per Videokonferenz an.