Was ist der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche digitale Kommunikationskultur in einem Unternehmen? Das richtige Tool, die Kompetenzen oder die Hierachiestruktur? Ein Streitgespräch zwischen einer Digital Native und einem Digital Immigrant.
Am Anfang prallten zwei verschiedene Welten aufeinander. Auf der einen Seite Hansjörg Honegger, langjähriger Journalist, der verschiedene Unternehmen führte und weiss, wie die Chefetagen ticken. Er ist davon überzeugt: Alle neuen Kollaborationstools und Enterprise Social Plattformen wie Slack und Yammer bringen wenig, wenn die Unternehmenskultur antiquiert ist. Und auf der anderen Seite Jacqueline Passos, Praktikantin bei Swisscom und Absolventin der Universität Fribourg. Sie behauptet, jedes neue Tool könne den Status quo verändern – wenn die Mitarbeiter nur lernen, damit richtig umzugehen. Bremsklötze sind dabei oft Einzelpersonen – oder der Chef, der mit Abwesenheit glänzt.
Er der nüchterne Skeptiker, sie die pragmatische Optimistin. Zwei unterschiedliche Generationen, zwei unterschiedliche Standpunkte. Doch sind sie sich in einem Punkt einig: Die digitale Transformation eines Unternehmens beginnt nicht erst mit der Einführung der Technologie, sondern muss viel früher ansetzen: Bei den Werten und der Kultur.
Swisscom: Coop hat interne Kurse für den E-Mailverkehr durchgeführt. Einer der Grundsätze lautete, dass ein persönliches Gespräch oder Telefongespräch immer effizienter ist als die elektronische Kommunikation. Netzwerke können also noch so intelligent ausgestaltet sein, am Ende siegt immer Face-to-Face?
Jacqueline Passos: Ich finde das gut, weil es immer Leute gibt, die Tools ineffizient nutzen. E-Mails sollten nicht als Chat dienen und vice versa. Ständig werden andere ins CC genommen. Nicht, damit alle informiert sind, sondern aus strategischen und politisch motivierten Gründen.
Hansjörg Honegger: Ich setze da woanders an. Die Crux liegt in der Kultur und nicht in der Einzelperson. Solche Kurse sind sicher sinnvoll, aber viel wichtiger ist das Verständnis bezüglich der Unternehmenshierarchie. Die Frage ist: Warum setzt eine Person alle ins CC? Fürchtet sie um ihren Job? Dann sind wir ganz woanders als bei der Diskussion «E-Mail oder Slack».
Ich finde Deinen Ansatz gut. Aber der Satz «Ich verstehe das Tool nicht», ist meist ein Anzeichen für ein tiefer liegendes Problem.
Jacqueline Passos: Ja, die Einführung eines neuen Tools bedeutet eine Veränderung, was viele Leute nicht mögen.
Hansjörg Honegger: Ich bin mir nicht so sicher, ob es wirklich eine Veränderung bedeutet. Bei der Einführung von neuen Kommunikationskanälen hat oft die IT die Projektleitung. Es wird nicht darüber gesprochen, was das Tool konkret verändern soll. Das ist der springende Punkt! Ein Tool verändert erstmal gar nichts.
Jacqueline Passos: Doch! Jedes neue Tool verändert den Status Quo. Angenommen, jemand hat zehn Jahre lang nur E-Mails an ausgewählte Adressaten geschrieben und jetzt kommuniziert diese Person via Chat mit der ganzen Projektgruppe. Dann ist das für sie eine enorme Veränderung.
Die Eigenheiten eines Netzwerks fördern ein anderes Kommunikationsverhalten, denn auf Slack beispielsweise kann man mit Gifs und Emojis operieren. Wir kommunizieren dann anders als via E-Mail, spielerischer und humorvoller. Vielleicht auch «privater»?
Jacqueline Passos: Für viele Leute sind Smileys in E-Mails total verpönt und irritierend. Auf Slack stellt sich diese Frage gar nicht. Das ermöglicht neue Formate und Antworten. Ich habe Deine Nachricht gelesen, aber keine Zeit zu antworten: Daumen hoch. Es geht viel schneller. Man hat weniger Hemmungen. Es ist auch ein Effizienzgewinn. Und das finde ich besser als der geschützte und formelle Rahmen des E-Mails.
Hansjörg Honegger: Wir müssen doch nicht über den Unterschied zwischen einer E-Mail diskutieren, mit unterschwelliger Aggression, oder Slack, wo man sich direkt auch auf den Deckel geben kann. Die Diskussion über die Streitkultur ist wichtiger. Man sollte Konflikte nicht mit einem Tool austragen. Wenn ich Stimme und Gestik nicht einsetzen kann, bleibt nur noch die Schrift. Und die Schrift ist immer etwas Hartes.
Jacqueline Passos: Das sehe ich anders. Ich kann mich schriftlich besser und sachlicher ausdrücken, wenn ich wütend bin. Oft hilft ein zwischengeschaltetes Netzwerk oder Technik eben doch. Man kann mit der Technik den emotionalen Zündstoff minimieren, und das finde ich hilfreich.
Hansjörg Honegger: Ein Punkt für dich. Falls du das wirklich so kannst: Hut ab. Um aber auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Die Einführung eines Tools oder auch einer Duzis-Kultur modernisiert eine Firma nicht automatisch. Es wird erstmal nur eine angebliche «Gleichberechtigungskultur» beschwört, und die Mitarbeitenden sollen kollaborativ arbeiten. Aber im Innersten sind viele Firmen hierarchisch in den 60er-Jahren stehengeblieben.
Das ist eine gute Überleitung zum nächsten Thema. Denn es gibt im Zusammenhang mit diesen Entreprise-Social-Plattformen nicht nur das Problem der «Geschwätzigkeit», sondern das Gegenteil: Tools werden eingeführt, und diese sind dann nach einer Weile tot. Die Arbeitsexpertin Barbara Josef nennt es das «Empty Disco»-Phänomen. Wie eine Party, wo keiner hingehen mag. Hat die Schweizer Unternehmenswelt nicht eher ein Problem mit digitalen Friedhöfen?
Jacqueline Passos: Bleiben wir bei der Analogie der Party. Du bist mit einer Gruppe unterwegs und suchst einen Club. Statt lange zu diskutieren, wohin man gehen soll, braucht es ein Alphatier, das sagt: Wir gehen jetzt dahin und probieren das aus. Und das ist eben das Ding mit flachen Hierarchien: Jeder kann Chef sein, nur keiner will. Manchmal ist es gut, wenn jemand auch wenn nur punktuell den Ton angibt. Das Andere ist: Wenn die Party schlecht ist, die Musik nicht gut, die Getränke zu teuer, dann geht man da auch nicht mehr hin. Wenn die Usability des Tools schlecht ist, ist es logisch, dass niemand damit kommunizieren wird. Die meisten schauen es sich an, und wenn es nicht intuitiv und selbsterklärend ist, dann findet man es vielleicht schlecht. Ich verstehe diese Abwehrhaltung.
Hansjörg Honegger: Es geht gar nicht zwingend um die Funktionalitäten dieser Tools. Viele Unternehmen sagen, wie offen und sozial sie seien, sind aber gleichzeitig noch völlig hierarchiegläubig. Da muss man ansetzen! Man kann nicht auf Collaboration setzen, wo alle gleichberechtigt miteinander plaudern sollen, und dann trotzdem unterschwellig ein althergebrachtes Hierarchieverständnis mitbringen. Ich war zehn Jahre lang Chefredaktor. Ich habe meine Redaktion nie demokratisch geführt. Aber ich habe den Mitarbeitenden, die das wünschten, sehr viel Verantwortung übertragen, die ich nicht bei jedem Fehler hinterfragte.
So entstand eine Kommunikation auf Augenhöhe. Ich kenne viele Betriebe, bei denen niemand Verantwortung für eine Entscheidung übernimmt. Da muss man fragen: Warum ist das so? Mit der Einführung eines Collaborations-Tools ist das eigentliche Kernproblem nicht gelöst.
Jacqueline Passos: Was die Collaboration immer wieder zum Scheitern bringt, ist der Fakt: Der Chef macht nicht mit. Er tanzt nicht auf der gleichen Party. Er sagt: Ihr geht jetzt alle dahin, und ich geh in meine VIP-Lounge.
Viele Experten und Kommunikationsleiter, mit denen ich geredet habe, bestätigen dies. Das obere und mittlere Management glänzt mit Abwesenheit auf diesen Tools.
Hansjörg Honegger: Völlig richtig: Es wird viel diskutiert, am Schluss muss man aber immer noch den Chef fragen. Ein kompletter Leerlauf.
Jacqueline Passos: Der Chef muss eben von Anfang dabei sein und das Tool nutzen. Dann sparst Du Dir diesen Weg. Die Leute in der Geschäftsleitung, die über diese Plattformen entscheiden, sind selbst nicht sichtbar und präsent.
Hansjörg Honegger: Kann ein Mitarbeiter Entscheidungen treffen, die vom Chef nicht immer hinterfragt werden, muss der Chef nicht präsent sein. Bevor man über ein Tool redet, muss man über Entscheidungsfreiheiten sprechen.
Jacqueline Passos: Die digitale Transformation ist nicht die Einführung des Tools, sondern die Transformation unseres Mindsets, im mentalen Sinn. Ist eine Person «digitalavers», dann muss man mit ihr arbeiten. Ihr Feedback einholen, ihr Zeit geben. Sonst fühlt sie sich nicht abgeholt. Chefs spielen da eine wichtige Rolle.
Nun noch etwas Zukunftsmusik zum Thema Collaboration, die teilweise schon Realität ist: Bei Microsoft Schweiz hat man begonnen, die Highlights aus den Geschäftsleitungs-Meetings noch am gleichen Tag auf Yammer zu posten, und die Mitarbeiter zum Mitdiskutieren eingeladen. So konnte man auch Themen für die GL-Agenda lancieren. Hat so ein Modell Zukunft für die Unternehmenswelt Schweiz?
Jacqueline Passos: Ich finde das toll. Das fördert die Unternehmenskultur. Nichts wird mit Verzug kommuniziert und die Mitarbeiter werden nicht mit vollendeten Tatsachen konfrontiert, sondern können mitreden.
Hansjörg Honegger: Meine Frage ist: Was wird genau kommuniziert und was nicht? Kann man alles ungefiltert aus einer GL-Sitzung kommunizieren? Da bin ich skeptisch. Und was mach die GL am Schluss mit den Stimmen aus der Belegschaft? Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
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Fotos: Boris Baldinger
….Das obere und mittlere Management glänzt mit Abwesenheit auf diesen Tools.
Vielleicht fehlt diesen Menschen einfach die Zeit für diese vielen Kommunikationskanäle?!
«… wenn die Unternehmenskultur antiquiriert ist…» und «… wenn Mitarbeiter nur lernen, damit richtig umzugehen».
Beide Parteien adressieren damit den exakt gleichen Punkt. Es braucht den Willen zur Veränderung. Antiquirierte Unternehmenskulturen leiden an hierarchischen und starren Strukturen und Prozessen. Der Change- und Innovationsgedanke wurde über die Jahre erfolgreich «abtrainiert».
Aber auch die Einführung von neuen Tools braucht die Bereitschaft für Change!
Beide der Gesprächsparteien haben also auf einem Nenner recht: Ohne Bereitschaft für Change wird sicht nichts verändern.
Um Change zu akzeptieren bedarf es auch dem Willen, die Komfortzone zu verlassen.
Nur so besteht heute noch einen reale Chance auf dem Markt erfolgreich zu sein.