Wie gehen KMU mit modernen Kommunikationsformen und sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter um? Wie weit geht die Nutzung? Die Antworten hiesiger mittelständischer Unternehmen überraschen.
Die Userin Alexandra Papadopoulou markiert das Lokal, in dem sie gerade sitzt. Sie «fühle sich gemütlich» im Restaurant Einstein, schreibt sie auf ihrem Facebook-Profil. Ein Lob, das die Geschäftsführer natürlich freut und das gerne geteilt wird auf der Fanpage. Das Restaurant Einstein gehört zur Gruppe «Thommen Gastronomie AG», die vorwiegend im Kanton Aargau tätig ist. Fast alle Partnerbetriebe haben eine eigene Facebook-Seite, die jeweils von einem Verantwortlichen gepflegt wird. Eine Präsenz auf Social Media sei vor allem dann sinnvoll, «wenn ein Restaurant etwas Spannendes zu erzählen hat, wie beispielsweise unser Restaurant im Schwimmbad» sagt Marketingchef Jean-Pierre Ritler. Für das Unternehmen begann die Reise in die digitale Welt vor drei Jahren. Vorher begnügte man sich «nur» mit dem klassischen Inserat in Printmedien.
Die Digitalisierung eröffnet für KMU neue Wege in der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Verändert sie auch deren Kommunikationskultur? Nicht unbedingt, wenn man einer neueren Studie zum Stand der Kommunikation bei deutschen KMU Glauben schenkt. Fazit: Für die Industrie 4.0 sind zwar viele mittelständische Unternehmen gerüstet. In Sachen Kommunikation hinkt man aber hinterher. Zwar ist die Bedeutung von professioneller Kommunikation für Image und Bedeutung klar gewachsen. Doch gibt es eine Diskrepanz zwischen wahrgenommener Relevanz und effektiver Umsetzung.
90 Prozent der Befragten halten eine professionelle Kommunikationsstrategie für wichtig. Doch nur 58,5 Prozent attestieren ihrem Unternehmen genügende Ausschöpfung aller digitalen und analogen Möglichkeiten. Den meisten Befragten fehle eine klare Strategie des Unternehmens. Neue Kommunikationsmöglichkeiten würden immer noch als notwendiges Übel erachtet, so der Tenor. Von intrinsischer Motivation kann somit keine Rede sein.
Wettbewerb animiert Kommunikation
Woran liegt das? Mangelnde Ressourcen werden in der Umfrage unter deutschen KMU als Hauptgrund für eine fehlende Kommunikationsstrategie genannt. Oftmals wird deswegen auf eine eigene Abteilung oder auf die Anstellung von Kommunikationsspezialisten verzichtet. Dabei lassen sich diese Defizite in einen Vorteil umwandeln: Die Delegation der Kommunikationsverantwortung an Mitarbeiter kann durch die richtige Organisation gar kreativitätsfördernde Effekte haben. Bei Thommen Gastronomie lernen Köche oder Serviceangestellte, Themen aus ihrem Gastronomiealltag aufzugreifen und für die verschiedenen Plattformen und Gefässe zu inszenieren. Geschichten werden so authentischer erzählt. Aus der Not wird eine Tugend.
Auch kann Druck Veränderung erzeugen. Jean-Pierre Ritler beispielsweise erstellt regelmässige Reportings zur digitalen Performance der jeweiligen Restaurants der Thommen-Gastronomie-Gruppe und präsentiert diese vor allen Geschäftsführern. Der Erfolg in den sozialen Netzwerken ist sogar bonusrelevant. «Der Wettbewerbsgedanke hat damit auch leistungsfördernde Wirkung», sagt Ritler. Mit diesen Anreizen werden die Mitarbeiter motiviert, sich besonders anregende Inhalte für Social Media zu überlegen.
Analog und digital waren gestern
Bei vielen Technologie-Start-ups gehört offene und digitale Kommunikation praktisch zur DNA. Die Unterscheidung nach Plattformen ist für die meisten Jungunternehmen ohnehin obsolet. Digitale Plattformen sind Teil der gesamten Kommunikationsinfrastruktur. Analog und digital werden hier ganzheitlich gedacht. So auch beim Start-up ComfyLight, einem Unternehmen, das «lernende Glühbirnen» produziert und damit unter anderem vor Einbrechern schützen möchte. Das Jungunternehmen kommuniziert abwechslungsreich und intensiv auf Facebook, Twitter und Instagram.
Kathrina Baumann ist Marketingchefin des ETH-Spin-offs, das im September 2016 am Pitching-Event von Swisscom aufgetreten ist. Für Baumann ist klar: «Wir denken in Kommunikationsthemen und nicht in Kanälen. Insofern gibt es für uns die Unterscheidung analog und digital nicht wirklich. Es geht uns darum, die jeweilige Botschaft für die Kanäle adäquat aufzubereiten.» Auch intern gehe man pragmatisch vor. Entweder wird via Skype-Gruppenchats miteinander geredet, oder klassisch via Telefon und E-Mail. Am Wochenende auch mal via iMessage oder WhatsApp, je nachdem, was sich gerade anbietet.
Externe Kommunikation kann somit auch interne Dialogwege beflügeln. Ritler von der Thommen-Gastronomie-Gruppe sagt, die Kommunikation auf den digitalen Kanälen habe auch intern einen Kommunikationsschub ausgelöst: Die Partnerbetriebe tauschen sich auch untereinander in einem Intranet aus.
Privat versus beruflich? Privat UND beruflich!
Doch haben ältere KMU nicht allgemein eine konservative Betriebskultur? Pflegen Familienunternehmen vielleicht aus Traditionsbewusstsein nicht einen eher zurückhaltenden Umgang in Sachen Kommunikation? Eine Studie der Hochschule für Wirtschaft Luzern über Schweizer KMU im B2B-Bereich beim Einsatz von sozialen Medien widerlegt dieses Klischee deutlich. Laut den Forschungsresultaten sind kleine und mittlere Unternehmen sogar die agileren und experimentierfreudigeren Firmen. Dies liegt gemäss den Autoren an den flachen Hierarchien und kurzen Kommunikationswegen, mit denen Probleme schneller und unbürokratischer gelöst werden können.
Grössere Betriebe unterliegen ausserdem Regulatorien im Kommunikations-bereich. Fehlende Trennmöglichkeiten zwischen beruflicher und privater Sphäre in vielen sozialen Netzwerken stören KMU weniger als Grossunternehmen. Die eigene Social-Media-Affinität stellt gemäss der Studie sogar einen wichtigen Faktor für die berufliche Nutzung dar. Positive eigene Erfahrungen fördern die professionelle Anwendung.
Das Start-up ComfyLight bestätigt diesen Befund. «Wir sind ein junges Team und als solches sicherlich mit den neuen Medien vertrauter als es viele andere. Das heißt, wir nutzen die sozialen Medien intuitiv», sagt Kathrina Baumann. Die Marke ComfyLight pfeift auf einen formellen Ton oder strikte Richtlinien. Sie kommuniziere bewusst freundschaftlich und persönlich. «Für unsere Kickstarter-Kampagne ist ein offener Kommunikationsstil auch sehr wichtig gewesen, um Vertrauen bei den potenziellen Investoren zu wecken.»
«In der Gastronomie muss man vor allem zuhören»
Die KMU im B2B-Bereich investieren ausserdem massiv mehr in digitale Marketing- und Kommunikationsmassnahmen: Mit 35 Prozent ihres Marketingbudgets ist der Einsatz höher als bei Mittel- und Grossunternehmen. Und es scheint sich auszuzahlen: Der Return on Investment (ROI) wird von den kleineren Unternehmen als Motivationskriterium für Social Media betrachtet.
Doch sind nur finanzielle Aspekte wie Klicks und Reichweite relevant für die kommunikative Abenteuerlust in KMU? Wie sieht es mit Kundendialog aus? Werden Social Media immer noch als Verlautbarungsinstrumente genutzt, wie beispielsweise Websites und Newsletter, die gemäss der HSLU-Studie bei allen Unternehmensarten immer noch die meistgenutzten Online-Kanäle sind? Nein. Auch das ist eines der Gründe, weshalb Social Media beliebter bei KMU sind. Sie verfügen über die nötige Kundennähe. «Wer klein und agil ist und immer sein Ohr am Markt hat, der weiss auch, wo die eigenen Zielgruppen sind», resümieren die Forscher Janoschka und Fleck in der HSLU-Studie.
Eine Aussage, die Ritler nur unterschreiben kann: «In der Gastronomie muss man vor allem zuhören.» Dies ist auch eines der Gründe, weshalb das Unternehmen auf einer unüblichen Plattform aktiv ist: auf dem Bewertungsportal TripAdvisor. Hier kommunizieren die Restaurants proaktiv. Egal ob Kritik oder Lob, die Thommen-Restaurants meldeten sich in Kürze mit einer Antwort. Fiel es Geschäftsführern nicht schwer, vernichtende Bewertungen anzunehmen? Am Anfang ja, besonders wenn Querschläger besonders fiese Kommentare verfasst hätten, sagt Ritler. Doch mit der Zeit sahen die Geschäftsführer den Mehrwert.
Denn umgekehrt erzeugen öffentliche Bekundungen wie das von Facebook-Userin Alexandra Papadopoulou Zufriedenheit. Es handelt sich um Gratiswerbung, die man sich unaufdringlich zunutze machen kann. Auch das Startup ComfyLight scheut nicht die Rückmeldungen auf den Kanälen: «Wir informieren unsere Unterstützer offen über unseren Fortschritt und unsere Erfolge und freuen uns über ihr Feedback.»
Für KMU sind somit neue digitale Plattformen mehr als nur reichweitenstarke Werbekanäle. Sie sind vielmehr «Ausdruck einer Haltung und eines Selbstverständnisses, dass man für den Kunden da ist – vor Ort oder eben virtuell», wie es die Autoren der HSLU-Studie formulieren. Um damit wieder auf die Eingangsfrage zurückzukommen. Eine offene Kommunikationskultur begünstigt Lust und Freude, neue kommunikative Wege intern und extern zu beschreiten. Dennoch zeigt auch das Beispiel der Thommen Gastronomie, dass man mit Wettbewerbsanreizen und Kundenfeedback auch professionelle Kommunikation erlernen kann. So dass es am Ende sogar Spass macht.