Von wegen alles nur Show: Die jüngste Generation auf dem Arbeitsmarkt unterscheidet sich im Alltag diametral von ihren Instagram-Profilen. Statt Status und Schein sind bei der Generation Z wieder Sinnhaftigkeit und Verantwortung gefragt. Das ist für KMU eine riesige Chance – wenn sie sich rechtzeitig vorbereiten.
Im Publikum eine Reihe dunkel gekleideter Zuhörer, meist Männer mittleren Alters und fast ausschliesslich aus dem Topmanagement. Auf der Bühne eine junge Frau. Giulia Langhi, 19, angehende Mediamatikerin bei Swisscom. Zusammen mit dem ehemaligen IBM-Lernenden Dario Züger erklärt sie an den NZZ X.Days in Interlaken den anwesenden Firmenführern, wie sie die Jungen fürs Unternehmen gewinnen können.
Denn die Generation Z (ab ca. Jahrgang 1995) tickt anders als die Generation Y («Millennials», ab ca. 1980). Endlose Sitzungen, Jobs ohne direkt messbares Ergebnis, Diskussionen und Strukturen und Strategien – das ist nicht das Ding der knapp 20-Jährigen. Die Generation Z will konkret verändern, anpacken, Sinn stiften. Ganz wichtig sei auch Verantwortung. «Wir wollen lernen und müssen Fehler machen können, um daraus wieder zu lernen.» Begeisterung aufbringen zu können, sei der entscheidende Faktor. «Das was wir tun, wollen wir gerne tun. Und wenn jemand etwas gerne macht, macht er es auch automatisch besser», erklärt Giulia dem anwesenden Topkader.
Babyboomer sind im Einer- oder Zweierbüro gross geworden. Sie schätzen ihren fixen Arbeitsplatz. Bei dieser Vorstellung wird die Generation Z kribbelig: Sie schätzt zwar persönliche Bereiche, will aber dank Notebook mit integriertem Zugriff aufs Firmennetz flexibel bleiben.
KMU als Arbeitgeber? Ideal, aber die Technik muss passen
Das klingt wie gemacht für KMU. Kurze Entscheidungswege, hohe Selbstverantwortung und Aufgaben mit einem konkreten Endergebnis zeichnen das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft aus. Was fehlt also? Meist liege es an der technischen Infrastruktur, erklären die beiden Digital Natives-Vertreter in Interlaken. «Für uns ist es wichtig, flexibel arbeiten zu können. Örtlich und zeitlich», erklärt Giulia Langhi. Das heisse nicht, dass sie vorziehe, nachts um drei zu arbeiten. Im Gegenteil: Eine klare zeitliche Trennung zwischen Beruf und Privat ist wieder stärker erwünscht als bei der Generation Y. «Aber wir wollen die Möglichkeit haben, die Arbeitszeit unserem Wohlbefinden anzupassen. Weil es uns so wichtig ist, mit vollem Herzen bei der Sache zu sein».
Vom Arbeitgeber verlangt das einerseits eine Infrastruktur, die das ermöglicht. Cloud Computing etwa, bei dem sich Mitarbeitende jederzeit und von überall her ins Firmennetzwerk einwählen können. Und Applikationen wie Skype for Business oder Microsoft Teams, die Sitzungen auch dezentral möglich machen. Beide Programme können übrigens auch als Chat- und Telefonsystem eingesetzt werden. Noch so etwas, dass der Generation Z wichtig ist. «Wir telefonieren überhaupt nicht gerne», erklärt Giulia Langhi. «Wir chatten lieber, das halten wir für einfacher und effizienter.»
Der Babyboomer sagt’s am liebsten schnell per Telefon – die Generation Z mag das gar nicht. Sie chattet lieber. Oder wenn schon telefonieren, dann gleich mit Kamera.
Grosse Unterschiede zur Generation Y
So fast schon traditionell sich die Generation Z in Bezug auf ihre Arbeitseinstellung gibt, so progressiv sind die Ansprüche an Arbeitskultur und Ausstattung. Das hat auch damit zu tun, dass die Generation Z die erste Generation ist, die von Geburt an nur eine digitale Welt erlebt hat. Ordner, Hängemappen, Stempel, ja sogar Festnetztelefon und Fax sind ihr fremd. Ein Dokument ausdrucken und weiterreichen? Aber nicht doch, wenn man es doch in der Cloud ablegen und mit einem Klick sharen kann. Hat man das nicht immer so gemacht?
Doch wieso unterscheidet sich die Generation Z so markant von ihren Vorgängergenerationen? Der deutsche Professor Christian Scholz von der Universität Saarland gehört zu den frühesten Forschern auf diesem Gebiet. Bereits vor fünf Jahren analysierte er die damals erst heranwachsende Generation im Buch «Generation Z – wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt.» Seine Analyse: Diese Generation lernt aus den Unsicherheiten und Übertreibungen ihrer Vorgängergeneration. Zu oft habe die Generation Z beobachtet, wie ihre Eltern nach Feierabend buchstäblich nicht abschalten konnten. Und propagieren nun einen ausgeglichenen Umgang zwischen virtueller und realer Welt.
Blockzeiten waren eine Errungenschaft der Babyboomer und ebneten ab den 80er-Jahren den Weg für die völlige zeitliche Flexibilisierung. Davon will die Generation Z nicht abrücken. Sie arbeitet dann, wenn sie Lust hat. Deswegen aber nicht weniger: Ihr Pensum verteilt sich quer über den Tag mit längeren privaten Auszeiten.
Traditionelle Werte, progressive Arbeitsformen
Einerseits geht’s keinesfalls ohne digitalen Anschluss, ohne mobile Geräte, ohne Flexibilität und Cloud. Andererseits aber wird der Ausgleich wichtiger – das zeigt auch die jüngste James-Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Swisscom. Sie untersucht regelmässig die Mediennutzung der 12- bis 19-Jährigen. Und hat im letzten Herbst festgestellt: Von E-Book bis Smartphone – so digital war noch nie eine Generation unterwegs. Andererseits werden seit Jahren zwei ganz und gar analoge Themen wieder deutlich wichtiger: Familie und Ausruhen.
Dieses Ergebnis fasst wohl wie kein anderes zusammen, wie die Generation Z tickt: Technisch kompromisslos zukunftsorientiert, mobil und hochgradig vernetzt. Bei den Werten aber sehr auf Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und Verbundenheit bedacht. Das zeigt sich auch, wenn Giulia den idealen Arbeitgeber für ihre Generation beschreibt: «Ein Unternehmen, in dem man sich verbunden ist, das die Du-Kultur pflegt, das flexible Arbeitsformen und modernes Equipment anbietet und wo man in der Arbeit viel Verantwortung übernehmen kann.» Und wie sieht’s aus mit Lohn und Status? Lockt dann nicht doch derjenige Job mit dem besseren Titel und höheren Lohn? Giulia winkt ab. «Alles andere ist wichtiger. Für Status gibt’s Instagram. Im Arbeitsleben zählt für uns Anderes.»
Fotos: Julia Luchsinger, Louise Kilby
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