Als Expertin für digitale Transformation kennt Sunnie Groeneveld den Digitalpuls der Schweizer Wirtschaft. Im ersten Teil des Interviews spricht sie darüber, wie Veränderungen in Unternehmen über die hierarchischen Pfade hinausgehen und weshalb sie sich von der Schweiz mehr Mut wünscht.
Sunnie Groeneveld, gemeinsam mit Manuel P. Nappo haben Sie den Executive MBA Digital Leadership der HWZ aufgebaut. Warum braucht es mehr «Digital Leadership» in der Schweiz?
Schon als ich Geschäftsführerin von DigitalZurich2025 war, haben wir eine Analyse aller Aus- und Weiterbildungen zu digitalen Skills gemacht. Und schnell festgestellt, dass Firmen industrieübergreifend mehr Talente im digitalen Geschäft einstellen möchte, als tatsächlich vorhanden waren. Vor allem hat es an einer ganzheitlichen Führungsausbildung gefehlt, um den Change nicht nur im Technologiebereich, sondern auch im Business zu bewirken. Das Resultat ist dieser Studiengang, den wir im Februar soeben zum vierten Mal gestartet haben.
Warum ist «Managing Change» im Zeitalter der digitalen Transformation so wichtig?
Wir leben in einem Zeitalter des konstanten Wandels. Die wirtschaftliche Situation verändert sich schnell und Organisationen müssen sich immer wieder neu anpassen. Aus meinen Beratungsmandaten sehe ich, dass viele digitale Transformationsprojekte nicht am Technologiewandel scheitern, sondern am Kulturwandel. Wir müssen also die Sensibilität dafür steigern und lehren, wie man in der Führungsarbeit Transformation nachhaltig voranbringt.
Was hat sich im Veränderungsmanagement aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren am meisten verändert?
Historisch sind wir uns gewohnt, in Organisationen hierarchisch zu führen und geführt zu werden. In der Zwischenzeit nehmen aber Netzwerke einen zunehmend höheren Stellenwert ein. Zwar gab es informelle Netzwerke seit jeher, aber neue Technologien verändern diese und machen sie stärker, grösser und skalierbarer. Wir sind alle viel vernetzter, auch digital. Für die Führungskräfte bedeutet das, dass sie den Change nicht mehr nur aus der Hierarchie heraus managen können, sondern innerhalb der Firma die Netzwerke verstehen und nutzen müssen. Menschen, die nicht Teil der Linie oder vielleicht nicht einmal Teil des Unternehmens sind, sind meinungsbildend und beeinflussen den Change. Die Kräfte dahinter müssen verstanden und in die Transformationsstrategie miteinbezogen werden.
Hat sich das Verständnis dafür verändert, wie wichtig Kultur in einem Change sein kann?
Ich glaube schon. Mein Empfinden ist, dass heute die Sensibilität für den Stellenwert des Kulturwandels im Kontext von Transformationsvorhaben gestiegen ist, mitunter auch aufgrund der Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Ich glaube auch, dass digitale Skills und das Know-how zu laufender Change-Begleitung in den Unternehmen besser werden, allerdings in kleinen Schritten. Es ist eben der berühmte Marathon.
Wie schätzen Sie die Schweiz heute ein hinsichtlich der Innovations- und Transformationskompetenz?
Buch: «Inspired at Work»
66 Ideen und 15 Praxisberichte von innovativen Unternehmen haben Sunnie Groeneveld und Christoph Küffer in diesem Buch gesammelt, um Engagement und Innovation im Unternehmen zu fördern. Die sehr konkreten Vorschläge sind bewertet nach Aufwand für Planung, Umsetzung und Kosten und reichen vom einfachen Feedbackspaziergang bis hin zum Life-Balance Bonus. Die zweite, überarbeitete Auflage ist witzig illustriert und motiviert zum Durchblättern und Ausprobieren.
Inspired at Work, Versus Verlag, 34 Franken
Grundsätzlich zeigen Studien immer wieder, dass die Schweiz zuvorderst mitspielt, wenn es um Innovation geht. So wurde die Schweiz 2022 zum zwölften Mal in Folge vom Global Innovation Index als innovativstes Land der Welt ausgezeichnet, wobei das Ranking 132 Wirtschaftsmächte begutachtet und auf 81 Parametern basiert, darunter Forschung, Technologie und Kreativität. Allerdings muss man die Rankings auch mit Vorsicht geniessen, denn teils messen diese Studien auch Dinge wie das Patentkapital, was in der Schweiz aufgrund der grossen Pharmabranche traditionell stark ist. Insgesamt haben wir aber sicherlich viele innovative Unternehmen und eine resiliente Wirtschaft.
Eine weitere spannende Studie hinsichtlich der Transformation ist die schweizweite Führungskräfte-Befragung der SKO (Schweizer Kader Organisation), an der Inspire 925 mitgewirkt hat. Das Fazit: Leadership in einem schweizerischen Verständnis basiert vor allem auf den Werten Loyalität, Qualitätsbewusstsein und Leistungsorientierung. Das sind drei starke Werte, die wir uns absolut erhalten sollten. Gemäss den Befragten müssen aber für eine zukunftsweisende Transformation der Wirtschaft weitere hinzukommen, insbesondere Mut, Risikobereitschaft, Flexibilität und Begeisterungsfähigkeit.
Wie mutig denken Sie, ist die Schweiz?
Meine Einschätzung ist, dass die Schweiz viel mutiger sein könnte, viel stärker mit begeisternden Zukunftsbilder arbeiten, sich überhaupt mit der Zukunft auseinandersetzen könnte. Ich erlebe noch in zu vielen Gremien, dass man sich stärker mit der Vergangenheit als mit der Zukunft auseinandersetzt. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie wollen wir, dass die Schweiz 2050 aussieht? Und welche Entscheide müssen wir heute fällen, damit diese Zukunft eintritt?
Über Sunnie Groeneveld
Sunnie J. Groeneveld hat ihre Chancen früh gepackt: Nach einem gymnasialen Austausch in Amerika hat sie Economics in Yale studiert. Zurück in der Schweiz war sie die erste Geschäftsführerin der industrieübergreifenden Standortinitiative DigitalZurich2025, heute digitalswitzerland. 2013 gründete Sie gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner die Beratungsfirma Inspire 925, welche Unternehmen in der digitalen Transformation begleitet. Heute ist sie neben ihrer Tätigkeit als Managing Partner bei Inspire 925 auch mehrfache Verwaltungsrätin und Studiengangsleiterin des Executive MBA Digital Leadership der HWZ Zürich, welches sich auf die Führungskompetenz in digitalen Transformationsvorhaben konzentriert.
Future Work Experience Team: kostenloses Vorgespräch
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