Möglichkeiten und Grenzen des E-Learning.
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Was E-Learning für die Weiterbildung taugt

Zahlreiche Online-Plattformen bieten ein breites Spektrum an teils kostenlosen Kursen für die berufliche Weiterbildung. Doch was taugen diese E-Learning-Angebote, und wo liegen ihre Grenzen? Ein Selbstversuch.

Bei meiner Arbeit fallen unzählige kleine Aufgaben an. Da eine Recherche für einen Artikel, dort ein E-Mail beantworten, und zwischendurch ein Meeting vorbereiten. Um die Übersicht zu behalten, muss ich mich selbst gut organisieren – eine ideale Voraussetzung also, mich wieder einmal mit der Organisationsmethode «Getting Things Done» (GTD) auseinanderzusetzen und mein Wissen aufzufrischen.

Das Schulzimmer ist überall

Hierzu muss ich nicht einmal den Schreibtisch verlassen. Zahlreiche Online-Lernplattformen bieten Kurse zum Selbststudium an. Die Themen reichen vom multimedial aufbereiteten Mathematik-Lehrgang einer Universität über Office-Kurse bis hin zu Selbstmanagement-Methoden wie GTD. Ich entscheide mich für den gleichnamigen Kurs auf Lynda.com, einer der ältesten E-Learning-Plattformen, die irgendwann von Linkedin aufgekauft wurde, das wiederum von Microsoft aufgekauft wurde. Lynda.com, das sämtliche Lerninhalte in einem Abo-Modell anbietet, zeigt einen der grossen Vorteile solcher Plattformen auf: Dank Apps für iOS, Android und Windows 10 kann ich den Kurs überall besuchen, wo ich Internet-Zugang habe. Je nach Abo lassen sich die Kurse sogar herunterladen und offline «besuchen». Ich könnte also beispielsweise das morgendliche Pendeln nutzen, um mich weiterzubilden (was ich auch mache, allerdings lerne ich dann Spanisch mit Babbel). Die überwiegende Mehrheit der E-Learning-Angebote bietet ein reines Selbststudium ohne Interaktion mit Kursleiter oder anderen Teilnehmer. Das hat immerhin den Vorteil, dass ich Zeit, Ort und Dauer der «Lektionen» selbst bestimmen kann.

Viel Flexibilität, aber wenig Abwechslung

So stürze ich mich also in meine Weiterbildung zu GTD. Dort treffe ich auf David Allen höchstpersönlich, den Erfinder dieser Organisationsmethode. Er fungiert als mein Lehrer in dem knapp 40-minütigen Programm. Also, ich treffe ihn natürlich nicht persönlich, sondern in den Lernvideos, in denen er die Funktionsweise von «Getting Things Done» erklärt. In zehn Sequenzen will er mir helfen, Ordnung in mein (Arbeits-)Leben zu bringen.

Tipp

Halten Sie einen papiernen oder digitalen Notizblock bereit, während Sie einen Online-Kurs besuchen. Notieren Sie darauf Ihre persönlichen Fragen, Vertiefungen, Erkenntnisse und wichtigen Stichworte.

Der Aufbau des Kurses ist typisch für die meisten E-Learning-Angebote. Auf eine Lernsequenz, in der die Inhalte vermittelt werden, folgt eine Übungssequenz, in der ich das soeben Gesehene und Gehörte anwende. So sollte ich jetzt nach der ersten Lektion alle meine offenen Aufgaben niederschreiben und in meinem physischen Posteingangs-Fach oder in der To-do-Liste auf dem Computer ablegen, noch völlig unsortiert. Habe ich das Gelernte auf diese Weise vertieft, konsumiere ein weiteres Lernhäppchen in Form des nächsten Videos.

Diese Art des Lernens ist sehr flexibel, weil ich die Dauer und die Intensität selber bestimmen kann. Doch mit der Zeit wird die immer gleiche Form der Inhaltsvermittlung eintönig und etwas ermüdend. Es fehlt die Rhythmisierung, die einen guten Kurs ausmacht: ein Mix verschiedener Methoden, wo ich mal nur zuschaue, aber dann wieder mich selbst und mein Vorwissen einbringen kann. Eine Interaktivität findet nicht statt. Und eine Aktivierung, also das Anknüpfen des neuen «Stoffes» an bereits vorhandenes Wissen, fehlt fast gänzlich. Das ist lerntechnisch nicht ideal und wohl der grösste Nachteil einer Weiterbildung via Online-Kurs.

Die Qual der Auswahl

Das Angebot auch an kostenlosen E-Learnings ist so riesig wie verlockend. Alleine die schier unerschöpfliche Auswahl macht Lust darauf, etwas Neues zu lernen. Ich könnte beispielsweise auf edX.org Mandarin lernen, der von der Harvard-Universität und dem MIT (Massachusetts Institute of Technology) gegründeten Lernplattform. Einfach, weil es mir Spass macht und ausser ein bisschen Zeit nichts kostet. Dieses breite Angebot kommt auch hiesigen KMU zunutze. Denn Lücken insbesondere im IT-Fachwissen lassen sich so mit wenig Aufwand stopfen. Oder der Excel-Crack im Team erweitert seine bestehenden Fähigkeiten und kann anschliessend die Tabellenkalkulation auch als Analysetool nutzen.

Das kostet vor allem Zeit. Denn die Kurse selbst sind mehrheitlich gratis. Wenn ich aber ein Zertifikat zum Abschluss möchte, bezahle ich dafür zwischen etwa 40 und 100 Franken und trage so zur Finanzierung des Angebots bei. Nach diesem Ansatz funktionieren viele E-Learning-Plattformen. Die günstigen Kosten sind ein weiteres Argument fürs E-Learning. Wie gross die Akzeptanz eines solchen Zertifikats in der Berufswelt ist, ist allerdings eine andere Frage.
Die Einstiegshürde ins E-Learning ist also tief und verlangt «nur» nach genügend Zeit (und allenfalls nacch einem kleinen Obulus). Gute Englischkenntnisse sind jedoch von Vorteil angesichts des mehrheitlich aus den USA stammenden Angebots.

E-Learning-Plattformen im Überblick

Getting Things Done auf lynda.com
Der «Getting Things Done»-Kurs in der Windows-10-App von Lynda.com

Eine Auswahl an grösseren Online-Lernplattformen. Das Kursangebot stammt überwiegend aus dem naturwissenschaftlichen und technischen Bereich.

Alison

Rund 750 Kurse, überwiegend auf Englisch; kostenlos, für Zertifikate und Diplome fallen Kosten an.

Coursera

Rund 1600 Kurse, überwiegend von US-amerikanischen Universitäten und auf Englisch; kostenlos, für Zertifikate fallen Kosten an.

EdX.org

Rund 1300 Kurse, überwiegend von US-amerikanischen und australischen Universitäten und auf Englisch; kostenlos, für Zertifikate und zertifizierte Lehrgänge fallen Kosten an.

Khan Academy

Keine Angaben über Anzahl Kurse, überwiegend von US-amerikanischen Universitäten und Institutionen, teilweise auf Deutsch übersetzt; kostenlos (Nonprofit-Organisation).

Lynda.com

Rund 5500 Kurse aus verschiedenen Quellen, teilweise auf Deutsch; Abo-Modelle ab rund 20 Franken pro Monat.

Microsoft Virtual Academy

IT-Kurse rund um Microsoft-Produkte und -Software für verschiedene Zielgruppen, teilweise auf Deutsch; kostenlos.

Udemy

Rund 42’000 Kurse zu IT- und Design-Themen aus verschiedenen Quellen, teilweise auf Deutsch; Preise zwischen rund 15 und 200 Franken pro Kurs.

Gesucht: Selbstdisziplin

Doch zurück zu meinem GTD-Kurs, den ich mittlerweile zu drei Vierteln absolviert habe. Bei einer Länge von 40 Minuten werde ich es schaffen, bis zum Ende durchzuhalten. Aber wie wäre das bei einem längeren Lehrgang? Mandarin würde sicherlich deutlich mehr Zeit beanspruchen. Und so tief die Einstiegshürde ausfällt, so einfach ist es auch, einen Kurs wieder zu verlassen, wenn die Motivation schwindet. Das gilt wohl für alle Formen des Selbststudiums, unabhängig vom Medium. Ich muss mir deshalb selbst Anreize schaffen, um die Motivation aufrechtzuerhalten.

Darin unterscheidet sich E-Learning entscheidend von klassischen Lehrgängen an einem Weiterbildungsinstitut oder einer (Fach-)Hochschule. Präsenzunterricht im Klassenzimmer ist zwar zeitlich fixiert und oft mit Reiseaufwand verbunden. Doch die soziale Kontrolle der Lernenden untereinander und vor allem der gegenseitige Austausch erhöhen die Motivation zum Lernen. Online ist ein Austausch, wenn überhaupt, dann nur in Diskussionsforen möglich. Wahrscheinlich werden Sie beim E-Learning Ihre eigenen Fragen mittels Suchmaschine beantworten müssen, wenn sich die Lösung nicht aus dem Kurs heraus ergibt.

Die Mischung machts

Meine Erfahrung: Bei grösseren Lernvorhaben wie beispielsweise einem Vertiefungskurs für die wichtigsten Office-Programme, dem Einstieg ins Risikomanagement oder bei einem Sprachkurs sollten Sie unbedingt abwägen, ob eine «klassische» Weiterbildung bei einem hiesigen Anbieter nicht erfolgsversprechender ist als ein einzelkämpferisches Online-Studium. Denn ein reales Zusammentreffen bietet die Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich mit den Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Dieser Aspekt einer Weiterbildung ist oft genauso wichtig wie der eigentliche Kursinhalt: Wir lernen im Austausch viel von unseren «Leidgenossen». Deshalb eignet sich reines E-Learning weniger als Ersatz, sondern für kleine Lernhäppchen, als Ergänzung zur klassischen Weiterbildung oder für Themen, die sonst nicht angeboten werden.

 

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