Verspätungen kann Machine Learning bei BLS Cargo zwar nicht verhindern. Aber immerhin verlässlicher voraussagen und damit die Logistik effizienter gestalten. Dahinter steht eine Big-Data-Plattform, mit der das Bahnunternehmen BLS eine digitalisierte Zukunft einleitet.
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Es ist bereits später Nachmittag, als der Güterzug aus Antwerpen endlich in Frenkendorf (BL) eintrifft – einen halben Tag später als geplant. Sofort beginnen die Arbeiter*innen, den Zug zu entladen und die Güter in den bereitstehenden Lastwagen zu verfrachten. Es herrscht reger Betrieb, aber keine Hektik. Denn die Zugsteuerung in der Disposition von BLS Cargo hatte die Verspätung bereits vorausgesagt. Das erlaubte es den Arbeiter*innen am Terminal und den Logistikunternehmen für die Feinverteilung, die Einsätze entsprechend umzuplanen.
Bis zu 60’000 Meldungen pro Tag generiert das System aus den über 200 Betriebsstellen entlang des Rhine-Alpine Corridors, der Frachtroute zwischen Rotterdam in Holland und Genua in Italien. Diese Meldungen, TRFMs (TrainRunningForecastMessages) genannt, bilden die Datenbasis, um Verspätungen prognostizieren zu können. Das Streckennetz umfasst 1250 Kilometer, auf denen jährlich über 20 000 Güterzüge von BLS Cargo verkehren. Verspätungen sind auf dem dicht befahrenen europäischen Eisenbahnnetz häufig und eine Herausforderung für Disposition und Logistik. «Dank den Ankunftsprognosen können wir die Ressourcenplanung optimieren», sagt Pascal Truniger. «Dazu gehört die Einsatzplanung für die Lokführer gemäss den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes, aber auch die Koordination der Logistikunternehmen und Kunden.»
Das System sorgt also für einen erheblichen Effizienzgewinn nicht nur bei BLS Cargo selbst, sondern auch bei den Partnerunternehmen und Kunden. Diese können den Einsatz der Camions für die Feinverteilung der Waren viel genauer planen und Leerzeiten verkürzen. Das sorgt für einen geregelten Betrieb nicht nur an den Terminals selbst, sondern auch in der Disposition von BLS Cargo. Die manuelle und zeitaufwändige Schätzung der Ankunftszeiten mittels Excel-Tabellen entfällt, was insbesondere in Spitzenzeiten eine deutliche Entlastung für die Disponent*innen bedeutet.
Besser planen dank Machine Learning
Die Informationen über die aktuellen Standorte der Züge bezieht das ETA-System (ETA: Estimated Time to Arrival, erwartete Ankunftszeit) aus dem zentralen Data Lake der BLS. «Wir haben einerseits eine grosse SAP-Landschaft, aber auch viele halb- und unstrukturierte Daten», sagt Marcel Graf, Teamleiter Data Science bei der BLS. «Um diese Informationen aus den unterschiedlichen Quellen zu konsolidieren und in Echtzeit weiterzuverarbeiten, haben wir zusammen mit Swisscom einen Data Lake auf Azure aufgebaut.» Für dieses Projekt suchte die BLS in der Ausschreibung ein Unternehmen, dass sich sowohl mit SAP auskennt als auch mit Big Data in der Cloud und Machine Learning. «Diese Kompetenzen zu finden war nicht ganz einfach», erinnert sich Marcel Graf. «In den Gesprächen hat sich aber schnell gezeigt, dass Swisscom die geforderten Fähigkeiten in all diesen Bereichen mitbringt.» Der Data Lake dient nun als Basis für datengetriebene Digitalisierungsprojekte bei der BLS und ist somit eine Investition in die Zukunft.
In die Big-Data-Plattform fliessen auch die Rohdaten der Messpunkte entlang der Zugstrecke fürs ETA-System bei BLS Cargo ein. Anhand dieser Daten berechnet ein Machine-Learning-Modell die wahrscheinliche Ankunftszeit. Doch zuerst musste sich zeigen, ob sich aus diesen Informationen überhaupt eine verlässliche Ankunftszeit prognostizieren lässt. «Ich sehe von meinem Garten aus auf die Hauptachse, die BLS Cargo befährt», blickt Pascal Truniger zurück. «Während des Proof of Concepts bin ich ab und zu mit dem Notebook in den Garten und habe geschaut, ob der Zug wirklich zur berechneten Zeit durchfährt.»
Der Zug kam zur geplanten Zeit. Und so haben die Disponent*innen bei BLS Cargo heute eine berechnete Schätzung der Ankunftszeit und müssen sich nicht mehr auf mehr oder weniger genaue Erfahrungswerte abstützen.
Mit Digitalisierung den Zugbetrieb optimieren
Mittlerweile ist der Güterzug entladen und die Komposition für den nächsten Transport zusammengestellt. Auch der Lokführer ist dank des ETA-Systems rechtzeitig am Terminal eingetroffen. Er wird den Zug nun wieder in Richtung Norden bringen, zurück nach Antwerpen.
Weitere Etappen mit dem Data Lake haben auch die BLS und BLS Cargo geplant. «Wir erhoffen uns aus den Streckenmeldungen der Güterzüge Aufschluss über die Gründe für die Verspätungen», sagt Pascal Truniger. «Damit könnten wir den Betrieb weiter optimieren und die Qualität verbessern.»
Dass die Digitalisierung und datengetriebene Massnahmen den Zugsbetrieb verbessern, davon ist auch Marcel Graf bei der BLS überzeugt: «Unser Ziel ist, mit Machine Learning und den Sensordaten aus den Fahrzeugen des Personenverkehrs einen Beitrag dazu zu leisten, die Wartungsintervalle besser vorhersagen und planen zu können.»
Und auch die Fahrgäste des Autoverlads am Lötschberg könnten dereinst von künstlicher Intelligenz profitieren. «Mit den Daten über die Auslastung der Autozüge können wir mithelfen, den Einsatz und die benötigten Kapazitäten zu planen und somit Wartezeiten zu verringern», wirft Marcel Graf einen Blick in die Zu(g)kunft.
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