Das Team des Swisscom Digital Lab
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Swisscom Digital Lab: die Quelle für KI-Innovationen

Im Digital Lab forscht Swisscom an Lösungen mit künstlicher Intelligenz, die die eigenen Prozesse verbessern helfen, aber auch Kunden zugutekommen. Im ersten Teil des Interviews sprechen die beiden Leiter Daniel Dobos und Dominik Temerowski über die Rolle von KI für Swisscom und über die Zusammenarbeit mit der EPFL.

Es ist ein weiter Weg: Er führt von der Metro-Haltestelle der EPFL in Lausanne quer über den weitläufigen Campus bis zum Innovation Park. Dort, in einem der modernen Gebäude, befindet sich das Swisscom Digital Lab, das seit 2016 zusammen mit der Hochschule an Innovationen im Bereich Daten und künstliche Intelligenz forscht.

Einen weiten Weg hat auch das Lab selbst zurückgelegt, von Projekten mit klassischem Machine Learning bis hin zur Forschung an den heutigen grossen Sprachmodellen (LLM) der generativen KI. Geleitet wird das Lab von Daniel Dobos und Dominik Temerowski. Ersterer leitet die eigentliche Forschung, während zweiterer für die wirtschaftliche Umsetzung zuständig ist – innerhalb von Swisscom, aber auch zum Nutzen der Kunden.

Im ersten Teil des Interviews geben sie Auskunft über ihre Tätigkeiten, die Rolle von Swisscom in der KI-Forschung und über die Zusammenarbeit mit der EPFL.

Die Gesprächspartner

Dr. Daniel Dobos ist Research Director bei Swisscom. Er verantwortet die Beziehungen zu Universitäten, Fachhochschulen und andere Forschungseinrichtungen. Gemeinsam mit Mitarbeitenden aus allen Geschäftsbereichen von Swisscom entwickelt er mit seinem Team Lösungen, die aktuelle Forschungs- und Technologieentwicklungen zum Wohle von Swisscom Kunden einsetzen. Zuvor hat er Forschungs- und KI-Datenanalyse-Projekte beim Forschungszentrum CERN und bei den Vereinten Nationen geleitet.

Dominik Temerowski ist Director AI & Innovation bei Swisscom. Gemeinsam mit den Geschäftsbereichen von Swisscom entwickelt er mit einem Team von Data Scientists und Machine Learning Engineers KI-basierte Innovationen, die messbaren Mehrwert für das Unternehmen schaffen. Zuvor verantwortete er das Partnermanagement im Geschäftskundenbereich von Swisscom und zuvor der Deutschen Telekom, jeweils mit Fokus auf die digitale Transformation von B2B-Kunden.

Für die meisten Leute ist künstliche Intelligenz gleichbedeutend mit generativer KI. Welchen Einfluss haben der Boom und Hype rund um ChatGPT und Co. auf das Digital Lab und Swisscom?

Daniel Dobos: Als Swisscom sind wir schon lange im Bereich künstlicher Intelligenz unterwegs. Mit dem Forschungszentrum IDIAP in Martigny machen wir seit mehr als 30 Jahren Projekte mit KI, an der EPFL seit fast einer Dekade mit Machine Learning. Transformer heisst die Architektur hinter generativer KI, die das Ganze vorangetrieben hat. Der Hype hat dazu geführt, dass die Begrifflichkeiten sehr miteinander vermischt werden.

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Es ist eine kontinuierliche Entwicklung. Aber die Geschwindigkeit hat sich insbesondere seit 2022 drastisch erhöht. Inzwischen sagen selbst die Forscher, die auf diesem Gebiet arbeiten, dass es fast ein Fulltime-Job ist, diese Entwicklung zu verfolgen und einzuordnen. Das geht nur in einem starken Team. Dank der Kooperation mit weltweit führenden Forschern von ETHZ, EPFL, der Stanford University und zusammen mit unserem Outpost im Silicon Valley kriegen wir die aktuelle Entwicklung mit. Dadurch können wir ganz vorne mit dabei sein.

Dominik Temerowski: Künstliche Intelligenz ist eine Querschnittstechnologie – genauso wie das Rad, die Elektrizität oder das Internet. Jede dieser drei Querschnittstechnologien hat die Wirtschaft revolutioniert und Innovationen ermöglicht und ihr Vorteil ist nicht auf einzelne Branchen beschränkt. Unternehmen, die früh auf die innovativen Möglichkeiten des Internets setzten, hatten schnell Kosten- und Umsatzvorteile. Dasselbe gilt heute für KI: Bei Swisscom sehen wir eine Zukunft, in der KI so allgegenwärtig sein wird wie Konnektivität und zahlreiche Dienstleistungen und Produkte unterstützen wird. Hinzu kommt, dass KI uns in unserem Betriebsmodell und auf Plattformebene erhebliche Vorteile in Qualität, Effizienz und Innovationsfähigkeit bringen wird. 

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz für Swisscom, sowohl für den eigenen Betrieb als auch für Kunden?

Daniel Dobos: Auch bei künstlicher Intelligenz suchen wir Partnerschaften, beispielsweise mit Nvidia für die Swiss AI Platform. Wir konzentrieren uns nicht nur auf unsere eigenen KI-Produkte. Sondern wir evaluieren alle Möglichkeiten, die für die Schweizer Wirtschaft interessant sind, damit wir die Stärken und Schwächen jeder einzelnen Lösung verstehen. Dadurch können wir Kunden neutral beraten, welches für eine bestimmte Problemstellung die beste Lösung ist. Manchmal kann diese durchaus von einem Hyperscaler stammen. Und in anderen Fällen kann das etwas Hochspezialisiertes sein, wo Datensicherheit oder eine Datenhaltung in der Schweiz relevant ist und wir zusammen mit dem Kunden eine massgeschneiderte Lösung bauen.

«Was vielen nicht bewusst ist: Die Schweiz forscht seit Jahren ganz vorne mit bei der künstlichen Intelligenz.»

Daniel Dobos

Das ist im KI-Umfeld nicht anders als in anderen Geschäftsbereichen. Ich sehe es so ähnlich wie einen Fachmarkt. Ein Fachmarkt bietet Schokolade von vielen verschiedenen Marken an und auch noch eine Eigenmarke und berät den Kunden, welche Schokolade ihm am besten schmeckt. Ich glaube, das ist auch die Rolle, die wir im Bereich künstliche Intelligenz spielen können, weil es halt nicht die eine Lösung gibt, die auf alle passt. Selbst grosse Anbieter haben nicht für jedes Problem einer Schweizer Firma die richtige Lösung.

Dominik Temerowski: Heute gilt: KI gleich Wettbewerbsfähigkeit. Swisscom stärkt generell ihre KI-Transformation mithilfe von Talentförderung und der Rekrutierung von KI-Fachleuten. Wir beim Digital Lab tragen durch Forschung, Innovation und auch durch gezielte Talentakquisition dazu bei.  

Jedes Jahr beginnen alleine in unserem Lab zehn bis 20 Masterstudierende der EPFL ihre Masterarbeit mit einem konkreten Praxisbezug. Jeder Studierende arbeitet an der Lösung für Herausforderungen unserer Bereiche. Nach Masterabschluss rekrutieren wir aktiv aus der Kohorte für einjährige Praktika. Ziel ist, dass wir im Anschluss an dieses Praktikumsjahr die Besten für Swisscom gewinnen – durch Anschlusspositionen im Lab oder in den Geschäftsbereichen, für die sie bereits Lösungen entwickelt haben.

Eine der wichtigsten Ressourcen für den Wirtschaftsstandort Schweiz sind Fachkräfte. Und gerade im KI-Zeitalter steigt der Bedarf für KI-Expert*innen rasant. Im Digital Lab machen EPFL-Studierende sehr früh den Schritt von der Theorie in die Praxis. Damit bilden wir die Zukunft für Swisscom und die Schweiz aus.

Eine starke heimische Industrie stärkt die Schweiz. Mit Swisscom hat die Schweiz eine unabhängige Anbieterin für Telekommunikation und IT. Die Wichtigkeit dieser Souveränität wird im KI-Zeitalter weiter zunehmen: Vom Netz auf KI-Anwendungen und die die darunterliegende Infrastruktur. Mit den Forschungskooperationen im Digital Lab unterstützen wir, dass Swisscom auch im nächsten Schritt weiter führend bleibt bei Vertrauen, Qualität und Innovation.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen dem Digital Lab und der EPFL, und worin liegt der Nutzen?

Daniel Dobos: Wir sind eine Art Brückenbauer. Wir nehmen einerseits Business Needs, die wir Swisscom intern haben oder von unseren Kunden erfahren. Und andererseits holen wir Ideen ab. Wenn beispielsweise Forscher mit einer Idee zu uns kommen, wie man Netzwerke dank künstlicher Intelligenz effizienter gestalten kann oder die User Experience für unsere Kunden verbessern könnte. Dann schauen wir zusammen, wie wir diese State of the Art Forschung einbringen können in Produkte, die wir als Swisscom haben.

«Heute gilt: KI gleich Wettbewerbsfähigkeit.»

Dominik Temerowski

Dominik und ich sagen oft, wir sind wie zwei Seiten der gleichen Medaille: Innovation und Forschung. Dominik deckt den Teil ab, der sehr strukturiert KI Lösungen für Swisscom entwickelt, die auf Qualität, Effizienz und Innovationsfähigkeit einzahlen. Bei mir im Research-Bereich ist mehr der opportunistisch-kreative Teil, wo wir auch verrückte Ideen entwickeln, sogenannte Moonshots: Was würde es zum Beispiel bedeuten, wenn wir den Anspruch hätten, die erste Mobilfunkzelle auf dem Mars aufzubauen? Würden uns solche Innovationen und Projekte auch im Tagesgeschäft helfen?

Was vielen nicht bewusst ist: Die Schweiz forscht seit Jahren ganz vorne mit bei der künstlichen Intelligenz. Besonders mit der ETH Zürich und der EPFL sind wir da ganz vorne mit dabei. Da besitzen wir ein grosses Potential, das wir für unsere Bevölkerung nutzen können und für unsere Wirtschaft.

Aber bei der wirtschaftlichen Umsetzung der Forschung sind wir noch nicht wirklich vorne mit dabei. Wenn man sich anschaut, wo Start-ups für KI entstehen, sind diese meistens immer noch im Silicon Valley und vermehrt auch im asiatischen Raum, in Singapur, China oder Japan. In Zusammenarbeit mit der UBS und vielen andere Partnern versuchen wir im Rahmen von Deep Tech Nation Switzerland die notwendige finanzielle Kraft an Venture Capital zusammenzustellen, damit die Schweiz nicht schleichend im internationalen Wettbewerb zurück fällt.

Was sind die Tätigkeiten und Ziele des Digital Lab?

Daniel Dobos: Kürzlich haben wir zusammen mit einem Studenten die ersten Llama-3-Modelle wenige Tage nach deren Veröffentlichung auf einem ethischen Trainingsdatensatz selbst feingetunt. Wir haben die Antworten von Llama 3 auf ethische Grundsatzfragen definiert und deutlich verbessert. Damit gehören wir weltweit zu den ersten zehn bis 15 Forschungseinrichtungen und Firmen, die das überhaupt geschafft haben. Das ging nur in Zusammenarbeit mit der EPFL und weil wir weit in der Forschung sind.

Wir müssen neue Entwicklungen nutzen und testen, um sie zu verstehen. So kommen wir möglichst schnell auf ein Level, dass wir den Systemen vertrauen und sie zusammen mit Kunden im täglichen Einsatz einbinden können.

Was mir dabei jedoch ein bisschen Angst macht, ist die Unvorhersehbarkeit der Resultate. Die Large Language Models sind eine Black Box. Im Moment wird weltweit viel Entwicklungsarbeit geleistet, um zu verstehen, wie solche Modelle Entscheidungen treffen. Hier arbeiten wir mit verschiedenen Firmen und Universitäten zusammen, um vorne mit dabei zu sein. Explainable AI und Reasoning, das sind die Stichworte, und menschlich verständlich zeigen zu können, weshalb ein Modell so oder so entscheidet.

Die Nachvollziehbarkeit ist sicherlich ein wichtiger Faktor, um generative KI für Geschäftsentscheidungen einzusetzen. Erst dann kann man verstehen, warum man jetzt entweder die Empfehlung A oder die Empfehlung B erhält.

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Künstliche Intelligenz als Game Changer: Erfahren Sie in der aktuellen Studie von MSM Research, wie Schweizer Unternehmen KI nutzen und was Sie beim Einsatz berücksichtigen sollten.

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Titelbild: Das Kernteam des Digital Lab mit Daniel Dobos (vorne; zweiter von links) und Dominik Temerowski (vorne; dritter von links).

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