Aufgrund der grossen Menge an Dokumenten sind Behörden und öffentliche Verwaltungen prädestiniert für generative künstliche Intelligenz. Doch die Herausforderungen präsentieren sich anders als in vielen Unternehmen. Ansätze für den Einstieg.
Ihr nächster Schritt: Swisscom ReThink AI Workshop
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Verstaubte Amtsstuben? Wer heute die Räumlichkeiten einer öffentlichen Verwaltung betritt, findet dieses Klischee nicht bestätigt. Moderne PC-Arbeitsplätze dominieren das Bild. Wer Aktenberge und Schränke voller Ordner sucht, muss ins Archiv hinuntersteigen. Geblieben ist, dass Verwaltungen mit einer Unmenge an Dokumenten arbeiten: Formulare, Verordnungen, Protokolle, Entscheide, Bewilligungen, Steuererklärungen – die Liste liesse sich beliebig fortsetzen.
Mit dieser Ausgangslage sind öffentliche Verwaltungen prädestiniert für den Einsatz generativer künstlicher Intelligenz, auch generative AI oder GenAI genannt. Denn deren grosse Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) wie OpenAI GPT (auf dem auch Microsofts Copilot basiert), Anthropic Claude oder Meta Llama zeichen sich durch ihre Fähigkeiten aus, von Menschen geschriebene Texte zu «verstehen» und zu verarbeiten. «Öffentliche Verwaltungen arbeiten besonders intensiv mit unstrukturierten Texten in Form von E-Mails, Einsprachen oder Sitzungsprotokollen und sind daher besonders prädestiniert für die Unterstützung durch GenAI-Anwendungen», sagt Christof Zogg, Head of Business Transformation bei Swisscom.
Diese Fähigkeiten werden die Büroarbeit massgeblich verändern. Und zu einem Effizienzgewinn führen, indem langweilige Routinearbeiten wegfallen. «Fasse alle ungelesenen Mails zusammen und erstelle mir eine Liste mit Aufgaben» ist wesentlich schneller und befriedigender, als sich nach den Ferien durch eine Unzahl ungelesener Nachrichten zu wühlen. «Erstelle mir eine Vorlage für eine Bewilligung basierend auf diesem Dokument» oder «übersetze dieses Protokoll auf Französisch» sind weitere Beispiele, wie generative KI Zeit sparen hilft.
Eine Produktivitätssteigerung und als Folge einen besseren Service für die «Kunden» wie Privatpersonen und Unternehmen zählt denn auch die OECD in ihrem Papier «Governing with Artificial Intelligence: Are Governments Ready?» zu den grossen Vorteilen von generativer KI in der öffentlichen Verwaltung.
Dennoch ist die Ausgangslage anders als in vielen privaten Unternehmen.
KI im rechtlichen und ethischen Rahmen
Denn Verwaltungen verfügen über eine grosse Zahl sensibler Informationen und Personendaten, von Steuerdaten über Verfügungen und Bewilligungen bis hin zu Gerichtsentscheiden und psychiatrischen Gutachten. Dazu gehören auch «besonders schützenswerte Daten» nach Definition des Schweizer Datenschutzgesetzes (DSG). Die Privatsphäre muss beim Einsatz von generativer KI unter allen Umständen gewahrt werden. Und fehlerhafte oder gar diskriminierende Ergebnisse in Entscheidungsprozessen müssen verhindert werden. Eine spezielle Ausgangslage, wie Christof Zogg ausführt: «Die Anforderungen an den Datenschutz und zukünftig auch für die AI-Governance sind für die öffentliche Hand besonders hoch. Deshalb gilt es für frühe AI-Innovationsprojekte die geeigneten Anwendungsfälle zu identifizieren – aber die gibt es.»
Ethische und rechtliche Fragen zum Einsatz von KI in öffentlichen Verwaltungen behandelt eine Studie, die der Kanton Zürich in Auftrag gegeben hat. Und für die Bundesverwaltung hat der Bundesrat Leitlinien zur Nutzung von KI verabschiedet, die Transparenz und Sicherheit in den Vordergrund stellt.
Einsatzbeispiele für (generative) KI
Auch unter Berücksichtigung rechtlicher und ethischer Voraussetzungen kann KI und generative KI einen Zeit- und Effizienzgewinn bringen im täglichen Umgang mit Dokumenten und Informationen. Das sind mögliche Einsatzbeispiele (Use Cases) in öffentlichen Verwaltungen mit aufsteigendem Grad an technischen Anforderungen:
Use Case 1: Zusammenfassung und Transkription von Sitzungen
Generative KI vereinfacht die Erstellung von Unterlagen wie Sitzungsprotokollen, Beschlüssen usw. und kann diese in zahlreiche Sprachen übersetzen. Aufzeichnungen von (Online-)Meetings lassen sich mit KI transkribieren und als Text speichern.
Die Ergebnisse sollten immer als Entwurf behandelt und auf Korrektheit und Vollständigkeit geprüft werden, um «Halluzinationen» (falsche Ausgaben einer generativen KI) zu erkennen und zu korrigieren.
Use Case 2: Entwürfe für Weisungen, Verfügungen usw. erstellen
Basierend auf bestehenden Unterlagen kann generative KI-Vorlagen für diverse behördliche Dokumente erstellen, die damit nicht von Grund auf neu geschrieben werden müssen.
Use Case 3: Such-Bot für Dokumentenabfrage
KI ermöglicht es, Dokumente zu durchsuchen und Informationen daraus abzufragen. Solche Such-Bots eignen sich für interne Zwecke («Enterprise Search»), aber auch für öffentlich zugängliche Unterlagen wie beispielsweise Bauinformationen für Architekten, Beschlüsse, Vorstösse usw. Ein (von einem privaten Unternehmen realisiertes) Beispiel ist ZüriCityGPT.
Use Case 4: Vorhersage von Entwicklungen, beispielsweise für die Stadtplanung
Aufgrund bestehender Daten kann KI-Prognosen beispielsweise über die Bevölkerungs- und Verkehrsentwicklung erstellen. Das hilft in der Stadtplanung, beispielsweise für Schulhäuser und ÖV-Verbindungen. Die Informationen können auch als Grundlage für politische Entscheide verwendet werden, beispielsweise, wenn es um Budgets für öffentliche Bauvorhaben geht. Ein Beispiel ist die Smart City LuzernNord.
Solche Use Cases sind aufwändig und bedingen, dass Machine-Learning-Modelle mit eigenen Daten trainiert werden.
Erste Schritte zur Umsetzung: Welche KI-Ansätze gibt es?
Grob lassen sich drei Einsatzgebiete für (generative) KI unterscheiden, die entsprechend der Use Cases mit steigenden Schwierigkeitsgraden oder zunehmender Komplexität gleichgesetzt werden können:
Ansatz 1a: Evaluation und Einführung von Standard KI-Services wie Microsoft Copilot für M365. Solche Services «ab der Stange» sind schnell implementiert, um den Betrieb kümmert sich der Anbieter und die Governance ist geklärt.
Ansatz 1b: KI-Funktionalität in bestehender Software lizensieren/aktivieren. Hierbei geht es darum, die KI-Funktionen von Standardsoftware zu nutzen, etwa für die automatisierte Rechnungsverarbeitung in einem ERP wie SAP oder Abacus. Der Aufwand liegt in einem ähnlichen Rahmen wie bei Ansatz 1a.
Ansatz 2: Eigene (generative) KI-Prozessanwendung konfigurieren oder entwickeln. Dabei werden bestehende Prozesse mittels vortrainierten multimodalen Grundlagenmodellen wie GPT oder Claude automatisiert. Ein Beispiel ist die Vorprozessierung standardisierter Anträge etwa im Bau- oder Asylwesen. Der Aufwand dafür ist mittel, weil die Modelle mit eigenen Daten für eine spezifische Aufgabe nachtrainiert werden müssen, beispielsweise mittels Retrieval Augmented Generation, RAG.
Ansatz 3: Eigenes KI-Modell trainieren und betreiben. Hierbei entwickelt und trainiert ein Geschäftsbereich ein eigenes Modell für einen spezifischen Anwendungsfall, das passgenau zugeschnitten ist auf die jeweiligen Bedürfnisse. Beispiele hierfür sind etwa die Prognose der demografischen Entwicklung oder Betrugserkennung aufgrund spezifischer Muster. Diese Ansätze, bei denen oft «klassische» KI wie Machine Learning zum Einsatz kommt, verursachen hohen Aufwand für Entwicklung und Betrieb.
Den Einstieg in generative KI finden
Der Einsatz von generativer KI will gut geplant sein. Es geht darum, technische und rechtliche Voraussetzungen zu klären, aber auch die Vorgaben des Datenschutzes und die Schulung der Mitarbeitenden zu berücksichtigen.
Oft ist es sinnvoll, mit einfach zu realisierenden Projekten zu starten (Ansatz 1). «Je nach technischem Reifegrad einer Verwaltung empfiehlt sich ein anderes Vorgehen für erste, sinnvolle KI-Einsätze», sagt Christof Zogg. «Aber es lohnt sich nur schon, wenn ein paar pfiffige Power-User beginnen, für den internen Newsletter mit GenAI-Bildgenerierungstools Illustrationen zu erstellen, um die lange Reise ins Zeitalter der künstlichen Intelligenz zu starten. Auch das wird bestimmt eher ein Marathon als ein Sprint.» Oder Mitarbeitende, die bereits Erfahrung mit ChatGPT haben, können eine Pilotgruppe für den Einsatz von Copilot bilden.
Bei eigenen KI-Anwendungen spielt die Frage der Datenhaltung und -bearbeitung eine Rolle: Je nach Sensitivität der Daten und nach rechtlichen/regulatorischen Vorgaben können die KI-Services eines Hyperscalers berücksichtigt werden oder ein Schweizer Angebot wie die Swiss AI Platform. Am Anfang sollte auf jeden Fall eine Auslegeordnung stehen: Wo bringt KI den grössten Nutzen? Wo wollen wir starten? Dann werden sich Anwendungsmöglichkeiten eröffnen, in denen der Einsatz von KI definitiv gewinnbringend ist. Und die auch das letzte Staubkörnchen aus den Amtsstuben pusten.
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