Die digitale Transformation verlangt umso mehr nach innovativen Geschäftsideen. Doch wie entwickelt ein KMU diese? Beispiele aus der Praxis und Anregungen.
Untersuchungen zeigen, dass der Wettbewerbsvorteil von Technologieanbietern wie Apple, Microsoft oder Intel auf der grossen Anzahl der benutzen Geräte (iPhones, Tablets, PC) beruht. Ihre Grösse und ihre Marktdurchdringung haben sich die Anbieter nicht direkt erkauft, sondern durch intelligente Entscheidungen über Preise, Lizenzgebühren, Produktsortiment, Vertriebswege etc. erreicht. Jedes Unternehmen kann Entscheidungen treffen, die dazu beitragen, dass Produkte, Werte oder Ressourcen im jeweiligen Markt Wettbewerbsvorteile erzielen. Dazu gehören beispielsweise Produktions-Know-how, -Auslastung, Image, Vertrauen oder Verhandlungsmacht.
Wettbewerbsvorteile erzielen
Unternehmen können ihr eigenes Geschäftsmodell auf drei Arten als Wettbewerbsvorteil nutzen: Den eigenen Erfolg sichern, die Konkurrenz schwächen oder Wettbewerber zu Partnern machen.
Eigene Wettbewerbsposition stützen
Veränderungen am Geschäftsmodell können Unternehmen weiter nach vorn im Wettbewerb befördern. Die positiven Auswirkungen stärken häufig andere Mechanismen im Geschäftsmodell. Boeing und Airbus hatten in jedem Segment dasselbe Angebot. Einzige Ausnahmen waren die grossen Maschinen. Zusammen mit der schwerfälligen und zyklischen Nachfrage entstand ein harter Preiskampf. Als die Staatshilfen bei Airbus auszulaufen drohten, veränderte Airbus sein Geschäftsmodell und entwickelte das Grossraumflugzeug A 380. Die Antwort von Boeing war die Ankündigung einer vergrösserten Version der 747. Es war aber unwahrscheinlich, dass dieses Flugzeug auf den Markt kam, da es den Gewinn der 747 schmälern würde. Der A 380 förderte nicht nur eine positive Geschäftsentwicklung bei kleinen und mittleren Flugzeugen, sondern bremste auch den Erfolg von Boeing. Deshalb versuchte Boeing mit dem Bau des Grossraumflugzeuges 787, seine Position bei mittelgrossen Flugzeugen zu stärken.
Konkurrenz schwächen
Einige Unternehmen nutzen auch ihre Entscheidungen im Geschäftsmodell dazu, um Mitbewerber oder Marktneulinge zu schwächen. Der Erfolg einer neuen Technologie im Markt hängt nicht alleine von der innovativen Technologie ab, sondern auch davon, wie sich die Marktakteure dazu verhalten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Wettstreit zwischen Microsoft und Linux. Dank der Beziehungen zu Computerherstellern hat es Microsoft geschafft, dass ihr Betriebssystem bereits auf neuen Geräten vorinstalliert ist. Linux hat es dadurch viel schwerer, neue Nutzer für sein kostenloses Betriebssystem zu finden.
Wettbewerber zu Partnern machen
Wettbewerber mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen können auch Partner werden. Wenn ein neues Geschäftsmodell zu Übereinstimmungen mit Wettbewerbern führt, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die etablierten Anbieter aggressiv reagieren. Beispiele dafür sind die Online-Wettplattform Betfair, welche etablierte britische Buchmacher angriff. Bei Betfair können Kunden sowohl Wetten abgeben als auch die Rolle des Buchmachers übernehmen und Gewinnquoten anbieten. Während Buchmacher Risiken verwalten und mit Gewinnquoten Geld verdienen, übernehmen Wettplattformen keinerlei Risiken. Das Geschäftsmodell von Betfair hat dazu geführt, dass Spieler weniger Geld verlieren. Dadurch platzierten sie mehr Wetten und setzen ihre Gewinne erneut ein. Mit dieser Vergrösserung des britischen Wettmarktes und den besseren Gewinnquoten schätzen auch die traditionellen Buchmacher die Marktstimmung besser ein und sichern ihr Risiko zu geringeren Kosten ab.
Ein anderes Beispiel dafür ist die Bündelung der Kräfte und die gemeinsame Vermarktung des Arzneimittels Tiotropium (Spiriva®) mit einem Handelsnamen durch die Wettbewerber Boehringer Ingelheim und Pfizer. Obwohl sich beide im harten Wettbewerb gegenüber stehen, sind sie mit einem wichtigen Produkt gleichzeitig Partner und bündeln die Kräfte. Obwohl dies in der Praxis herausfordernd ist, hat der Erfolg dazu geführt, dass beide Unternehmen weitere Kooperationen eingegangen sind.
Was ein gutes Geschäftsmodell auszeichnet
In der Praxis funktionieren nicht alle Geschäftsmodelle gleich gut. Aber die wirklich erfolgreichen haben einige Merkmale gemeinsam: Sie passen zur Vision und den Zielen des Unternehmens und entfalten eine sich verstärkende Wirkung. Und sie sind widerstandsfähig.
Passt das Modell zu den Zielen?
Ein neues Geschäftsmodell muss dazu beitragen, dass die Vision und die Ziele des Unternehmens erreicht werden können. Dies mag trivial sein, in der Praxis zeigt sich aber, dass dieser Grundsatz nicht immer beherzigt und konsequent verfolgt wird.
Verstärkt das Modell sich selbst?
Die Entscheidungen die bei der Konzipierung des neuen Geschäftsmodelles getroffen werden, sollten sich ergänzen. Das System muss in sich schlüssig sein. Bei einem Billigfluganbieter führen alle Entscheidungen über sinkende Kosten zu niedrigen Preisen zu mehr Passagieren und zu mehr Umsatz. Solange diese Mechanismen funktionieren, wächst der Wettbewerbsvorteil immer weiter. Irgendwann stossen diese verstärkenden Faktoren an ihre Grenzen, verlangsamen das Zusammenspiel oder lösen eine Gegenreaktion aus. Wenn dies geschieht, lässt sich ein Geschäftsmodell verbessern, indem einzelne Entscheidungen verworfen und durch neue ersetzt werden.
Ist das Modell widerstandsfähig?
Ein gutes Geschäftsmodell muss längerfristig effektiv sein. Zwar verkürzt sich zusehends der Zeitraum, in dem ein Geschäftsmodell effektiv sein muss, zu den zentralen Kriterien zählt nach wie vor die Widerstandsfähigkeit. Dazu muss dieses nach Managementprofessor Pankaj Ghemawat folgende Bedrohungen abwehren können:
- Imitation (Können Wettbewerber das Geschäftsmodell einfach nachahmen?)
- Wertediebstahl (Können Kunden, Lieferanten oder andere Akteure den Wert den Sie schaffen an sich reissen?)
- Nachlässigkeit (Selbstzufriedenheit im Unternehmen)
- Substitution (Können neue Produkte für den Kunden einen Mehrwert gegenüber ihren Produkten sehen)
Fortschritt und die Qualität im Management
Der Fortschritt hängt nicht alleine von der Innovation im Geschäftsmodell oder in der Technologie ab, sondern auch von der Qualität und Innovation im Management.
Die Geschichte des Fortschrittes ist laut Paul Romer, Ökonom an der Stanford University, die Folge von zwei verschiedenen Arten von Innovation: Auf der einen Seite steht der technische Fortschritt mit seinen Erfindungen, und auf der anderen Seite die Weiterentwicklung von Gesetzen und sozialen Normen. Die Werkzeuge und Regeln verändern sich aber nicht immer im Gleichtakt nach vorne.
Strukturen, Prozesse und Incentive-Programme beziehungsweise Regeln in vielen Organisationen vermindern Motivation und Leistung eher, als sie zu fördern. Was wäre mit der gemeinsamen Anstrengung, das Regelwerk so zu verändern, dass der technologische Fortschritt gleichzeitig durch frei werdende Energie der Mitarbeiter getragen wird, die sich mit der Arbeit identifizieren und mit Leidenschaft bei der Sache sind.
Die wirtschaftliche Kurzsichtigkeit, schnell viel Gewinn zu erzielen, hatte eine Vernachlässigung langfristiger Innovationen zur Folge. Diese Sichtweise führt dazu, eher in die Produktivität zu investieren, die schnelle Rendite verspricht. Unterlässt man es aber, zumindest einen Teil des erwirtschafteten Kapitals in wirklich grundlegende Innovationen zu investieren und damit die Basis für neue Geschäftsmodelle zu bilden, kann eine Firma weder organisch wachsen, noch schafft sie neue Arbeitsplätze.
Wachstumsfördernde Innovationen ist aber eine der wichtigsten sozialen Verantwortungen von Unternehmen und deren Managern. Denn Innovationen sichern nicht nur die Konkurrenzfähigkeit des eigenen Unternehmens, sondern Wachstum und Wohlstand für die ganze Gesellschaft.
Die Aufgabe des Managements muss es sein, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und den Menschen die bestmöglichsten Werkzeuge an die Hand zu geben, um mit deren Wissen und Leistung den Erfolg der Firma zu sichern. Damit kann gekoppelt mit Innovationen das Wachstum aus dem Unternehmen heraus stimuliert und erreicht werden.
Autor: Christoph Grosser, Stratege, Sparringspartner, Unternehmer
Christoph Grosser ist geschäftsführender Partner bei der Crinera GmbH. Der Unternehmer, Strategie-Berater und Sparringspartner entwickelt seit mehr als 20 Jahren Wachstumsstrategien und treibt Innovations- und Wachstumsprozesse in Unternehmen vorwärts. Er entwickelt und konkretisiert ertragsstarke Geschäftsmodelle für die Zukunft und sorgt für deren erfolgreiche Umsetzung. Als Initiator hat er UnternehmerCircle für den Ideen- und Gedankenaustausch von Unternehmern ins Leben gerufen. Er ist Mitinitiant des DigitSummit, das erstmals am 6. Juli 2016 erfolgreich stattgefunden hat.
Titelbild: Keystone