Wie arbeitet ein CEO im Jahr 2030? Sven Gábor Jánszky leitet 2b AHEAD, das grösste Zukunftsforschungsinstitut Europas. An den Swisscom Business Days 2023 sprach er darüber, was Führungskräfte in naher Zukunft erwartet und wie sie sich am besten darauf vorbereiten – ein kurzer Ausblick in vier Kapiteln.
Prolog: Was macht ein Zukunftsforscher?
«Zukunft heisst analysieren. Wir sind keine Kreativen und keine Visionäre», sagt Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky. Er ist Wissenschaftler, sein Metier ist das Quantifizierbare. Was also macht ein Zukunftsforscher? Im Rahmen von Interviews erfährt er, wo und wie die marktführenden Unternehmen einer Branche investieren, was sich daraus in den nächsten fünf bis zehn Jahren ergibt und welche Auswirkungen das auf die Entwicklung der Arbeitswelt hat. «Zukunftsstudien sind Prognosen, Wahrheit gibt es bei der Zukunftsforschung keine», so der Experte.
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Kapitel 1: Zukunftsvision statt Plusminus-Liste
In der Regel nutzen Führungspersonen für die Zukunftsplanung das Benchmarking – oder einfacher gesagt: die Plusminus-Liste. Sie analysieren den Status quo des eigenen Unternehmens, schauen sich in einem weiteren Schritt die Konkurrenz an und führen eine übergreifende Branchenanalyse durch. Im Fokus stehen dabei die jeweiligen Marktführer. Schliesslich wird verglichen, und die CEO legen aufgrund der Ergebnisse Massnahmen fest, um an den Stärken und Schwächen ihres Unternehmens zu arbeiten.
Mit dieser Strategie ist zwar ein Aufwärtstrend nicht ausgeschlossen. Dass die Konkurrenz am eigenen Unternehmen vorbeizieht, allerdings auch nicht. Schnell und stark wachsende Firmen sind die wertvollsten der Welt, ihre Zukunftsplanung basiert jedoch nicht auf Gegenwartsanalysen – sondern auf einer Zukunftsvision: Wie sieht die Welt in zehn Jahren aus und welche Rolle soll mein Unternehmen dabei spielen? «Google hat nicht gesagt, wir machen ein besseres Ausleihsystem für Bibliotheken. Sie haben gesagt, wir sortieren das Wissen der Welt neu», so Sven Gábor Jánszky. «Wenn du als CEO weisst, wie die Zukunft aussieht, wenn du schon heute die Prognose hast, dann kannst du auch heute bestimmen, wie du dein Unternehmen in Zukunft dahin bringst.»
Kapitel 2: Die KI trifft Entscheidungen
Viele Arbeiten konnten im Laufe der Zeit dank technischer Entwicklungen schneller und kostengünstiger ausgeführt werden. Mancherorts ist die humane Arbeitskraft sogar vollständig verschwunden. Im Jahr 2030 hat zwar bei vielen Unternehmen weiterhin der CEO das letzte Wort, dennoch wird es quasi keine Entscheidung mehr geben, die nicht vorab durch eine KI analysiert und empfohlen wurde. «Es bleibt spannend zu sehen, ob und wie CEOs sich trauen, entgegen der Empfehlung einer KI zu handeln», sagt Sven Gábor Jánszky.
Survival of the most adaptive
Weil sich die Rechenkapazität durch den Quantencomputer exponentiell beschleunigt, arbeiten KI in Zukunft noch schneller. Das Ziel: Adaptivität, also die Anpassung eines Systems an die Präferenzen der jeweiligen Nutzer*innen. Heute schon ein Klassiker: personalisierte Werbung im Internet, Musikempfehlungen aufgrund persönlicher Playlists oder Smart Home. Unternehmen werden künftig nicht mehr nur wissen, was die Menschen interessiert, sondern erfüllen mit Hilfe der gesammelten Daten Wünsche schon vor deren Äusserung. Das wiederum wird Auswirkungen auf die Logistik und die Produktion haben.
Kapitel 3: Treffpunkt Metaverse
Eine der Schlüsseltechnologien im Jahr 2030 wird das Metaverse sein. Alle grossen Unternehmen werden damit arbeiten und sich hierfür mit Geräten, wie beispielsweise VR-Brillen, sowie Software ausrüsten. Im Metaverse verschmelzen virtuelle Welt, Augmented Reality und physische Welt miteinander zu einem grenzenlosen virtuellen Raum. «Sie sitzen dann bei Meetings oder Events gemeinsam mit Kolleg*innen oder Kunden an einem Tisch und tauschen sich aus, als ob diese auch physisch anwesend wären», erklärt Sven Gábor Jánszky. «Alle technischen Bereiche werden sich kontinuierlich weiterentwickeln, aber das Metaverse wird einer der entscheidenden sein.»
Kapitel 4: Mindset und Mitarbeitendenführung
«Ohne ein ganz konkretes Zukunftsbild geht gar nichts», so Sven Gábor Jánszky. Führungskräfte müssen nicht nur wissen, wo sich ihr Unternehmen in Zukunft positioniert, sondern dieses Ziel auch den Mitarbeitenden kommunizieren. Die Basis dafür ist, wie in Kapitel 1 bereits erwähnt, nicht die Plusminus-Liste, sondern eine Zukunftsvision. Nur rund 15 Prozent der Menschen weltweit sind intrinsisch motiviert und fühlen sich am besten, wenn sich etwas verändert und sie Risiko spüren. Die restlichen 85 Prozent bevorzugen Stabilität. «Aufgabe des CEO ist, die 15 von den 85 zu trennen und diesen 15 einen geschützten Raum für Experimente einzurichten.» Regeln, Geschwindigkeit sowie Art und Weise des Arbeitens bestimmen die Mitarbeitenden dort selbst. Einzige unternehmerische Vorgabe: die Zukunftsvision.
Und was passiert mit den 85 Prozent? «Denen müssen Führungskräfte die Möglichkeit nehmen, in ihren alten Verhaltensmustern zu verharren», sagt Sven Gábor Jánszky. Ganz konkret: Wurde ein Prozess bisher auf Papier festgehalten, dürfen Unternehmen in Zukunft kein Papier mehr dafür zur Verfügung stellen. «Es gibt keine Bremse für Technologie. Als CEO musst du entscheiden, ob du nur überlebst oder die Zukunft gestaltest.»
Epilog: Drei Fragen an Sven Gábor Jánszky
1. Geht Ihnen manchmal alles zu langsam?
(schmunzelt) Die Zukunftsforschung ist mit ihren Prognosen auf Kurs. Von daher: Nein. Aber wenn ich mir so die tagesaktuellen Nachrichten anschaue, dann sehe ich schon eine Diskrepanz zwischen dem, was heute für wichtig gehalten wird und dem, wo die Zukunft hingeht.
2. Wie steht’s denn mit Ethik, Moral und Humanität?
(schmunzelt ein bisschen mehr) Ich werde für Wahrscheinlichkeiten bezahlt, nicht für ethische Aspekte. Aber wenn ein humanoider Roboter die Spülmaschine ausräumen kann, dann kann er bestimmt auch irgendwann kuscheln.
3. Wird eine KI irgendwann Lohnforderungen stellen oder Ferien beantragen?
(lacht) Tolle Frage. Ich sag’s mal so: Die KI lernt ja permanent vom Menschen. Wenn man davon ausgeht, dass das Bewusstsein sich biologisch entwickelt hat, dann könnte es doch sein, dass auch die KI irgendwann mal, wenn sie genügend Informationen gesammelt hat, auf so verrückte Ideen kommt, wie Lohn oder Ferien…
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