Auf der einen Seite Sandra Tobler, CEO des IT-Security-Start-ups Futurae. Auf der anderen Seite Marc A. Trauffer, Inhaber eines traditionellen Holzspielwarenherstellers und Musiker. Wenn die zwei miteinander über Digitalisierung reden, prallen Welten aufeinander – oder?
Sandra Tobler und Marc Trauffer haben sich vorher nicht gekannt und an der Swisscom Dialog Arena in Luzern zum ersten Mal getroffen – zu einem «Blind Date» über Digitalisierung in KMU. Es entwickelte sich ein munteres Zwiegespräch über Digitalisierung und Handarbeit, Kommunikation im Unternehmen und alte neue Arbeitsmodelle. Die wichtigsten Passagen geben wir hier auszugsweise wieder.
Welche Folgen hat die Digitalisierung?
Marc Trauffer: Die letzte Generation hat in den 90er-Jahren die Automatisierung unseres Familienbetriebs verschlafen. Das war meine grosse Chance. Wir stellen unsere Produkte immer noch in Handarbeit her und nicht mit der CNC-Fräse. Dadurch sind wir authentisch. Wir profitieren hier vom Trend insbesondere aus dem Food-Bereich hin zu natürlichen, authentischen Produkten. Dieses Storytelling ist wichtig für uns, um am Markt zu verkaufen. Natürlich spüren wir den Kostendruck auch, gerade bei den Löhnen und der Handarbeit.
Sandra Tobler
Vor über zwei Jahren hat Sandra Tobler zusammen mit zwei Informatikern der Systems Security Group der ETH Zürich das Start-up Futurae gegründet, das sie als CEO leitet. Es bietet Lösungen für die sichere Authentifizierung, auch ohne Passwort und biometrische Merkmale. Für die sichere Authentisierung und um jederzeit die Privatsphäre zu bewahren, nutzen die Lösungen unter anderem Kontext Informationen des Endnutzers, die mittels künstlicher Intelligenz analysiert werden.Ihre Mitgründer hat Sandra Tobler in San Francisco an einer Konferenz kennengelernt.
Sandra Tobler: Mit der fortschreitenden Digitalisierung werden Unternehmen interessanter für Hacker, weil die Firmen viel mehr personalisierte Kundeninformationen generieren. Dadurch steigt der Aufwand für die IT Sicherheit. In unserem Umfeld der IT Sicherheit herrscht deshalb ein akuter Mangel an Experten. IT-Security-Spezialisten sind sehr gefragt. Das Know-how in Unternehmen ist oft veraltet, wo oft einiges an Aufklärarbeit nötig ist. Firmen stehen bei der Suche nach Fachleuten in Konkurrenz mit den grossen IT-Unternehmen. Wir sind immerhin gut aufgestellt mit unserem direkten Draht zur ETH, von der wir Talente beziehen.
Wir nutzen in unserem Unternehmen zwar neuste digitale Infrastruktur für die Zusammenarbeit, daneben sind aber auch ganz andere Themen wichtig. Etwa, dass sich die Leute wohlfühlen im Unternehmen. Dass sie etwas bewegen können. Neben der Vision gehört aber auch gutes Essen und Trinken dazu. Das ist eine Passion, die wir alle im Unternehmen teilen. Weil wir ganz am Anfang wenige Mittel für Infrastruktur hatten, hat uns eine lokale Brauerei sogar einen Kühlschrank ausgeliehen.
Marc Trauffer: Ja, wenn alles digitalisiert wird, verliert es die Seele. Mir ist der zwischenmenschliche Austausch sehr wichtig. Deshalb will ich auch nicht ins Ausland expandieren. Wir müssten dann automatisieren, und ich wäre nur noch der Manager, der das Unternehmen leitet. Ich will kein Manager werden.
Wie wichtig ist im digitalen Zeitalter die zwischenmenschliche Kommunikation?
Sandra Tobler: In der IT-Branche kommt es oft zu Missverständnissen zwischen dem Business und den Entwicklern. Viele IT Projekte scheitern an schlechter Kommunikation und Vermittlung der Parteien. Mir ist es sehr wichtig, dass in unserer Firma die Entwickler die Business-Bedürfnisse verstehen und umgekehrt das Business-Team technisches Know-how besitzt. Und dass wir alle nahe an den Kunden sind.
Marc Trauffer: Ich habe in unserem Neubau «Kommunikationslöcher» zwischen den Stockwerken eingebaut. Ich will, dass Vertrieb und Produktion miteinander reden und nicht einfach E-Mails austauschen. Und auch ich will vorbeigehen und sehen, was läuft. Ich brauche wortwörtlich ein Auge, um den Stand zu kennen und Entscheidungen zu treffen.
Marc A. Trauffer
Vor gut zehn Jahren hat Marc A. Trauffer den Familienbetrieb in dritter Generation übernommen. In dieser Zeit hat er das Unternehmen modernisiert und den Vertrieb der bekannten Holzkühe und anderer Holzspielwaren ausgebaut. Seither ist Trauffer Holzspielwaren in Hofstetten bei Brienz von 12 auf 70 Mitarbeitende gewachsen.
Als Person ist Marc A. Trauffer vor allem als Musiker bekannt. Der «Alpentainer» verbindet in seinen Mundart-Songs Volksmusik mit Rock und Pop.
Sandra Tobler: Das ist bei uns gar nicht so anders. IT Security ist ein personenbezogenes Geschäft. Der Vertrieb über ausschliesslich digitale Kanäle funktioniert nicht. Unser Produkt ist nur schwer fassbar und teils sogar gänzlich unsichtbar. Also müssen wir mit den Kunden reden, um ihnen bei ihren Sicherheitsproblemen zu helfen.
Wie modern sind die Arbeitsmodelle?
Marc Trauffer: Als ich vor zehn Jahren unseren Familienbetrieb übernommen hatte, gab es gar keine PCs in der Firma! Alle kannten zwar unsere Kühe, aber nicht die Firma dahinter. Ich musste den Brand zuerst aufbauen. Heute trägt jedes Holztier unser Logo. Trotz der vielen Handarbeit arbeiten wir mit unseren grossen Kunden natürlich digital zusammen, das geht gar nicht anders. Als wir damals eine moderne Business-Software eingeführt haben, waren wir zuerst alle etwas überfordert. Mit der Unterstützung des Herstellers hat es dann geklappt.
Sandra Tobler: Ihr seid eigentlich gar nicht so unmodern unterwegs. Auch mit den flexiblen Arbeitsmodellen und eurer Heimarbeit. Das ist wie die handwerkliche Version des Crowd-Sourcing heute.
Marc Trauffer: Ja, und die Ironie an der Geschichte: Früher gab es den Heimarbeitsverband. Er wurde 1996 aufgelöst, weil Heimarbeit nicht mehr so gefragt war. Und heute ist sie aktueller denn je.
Sandra Tobler: Und heute gibt es Start-ups, die genau diese Vermittlung zwischen Heimarbeitern und Auftraggebern übernehmen, um ältere Arbeitskräfte oder Eltern ins Arbeitsleben einzubinden. So schliesst sich der Kreis wieder.
Epilog: Im Laufe des Gesprächs stellten Sandra Tobler und Marc Trauffer fest, dass sie gemeinsame Bekannte haben. Gut möglich, dass diesem ersten Treffen ein weiteres folgt, dann zu Dritt und ohne Berichterstattung.