Schweizer Start-ups Unterschied zu Silicon Valley
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Ticken Schweizer Start-ups anders?

Die Tech-Szene im Silicon Valley steckt in einer Dauerkrise. Sexismus und Datenklau sorgen für negative Schlagzeilen. In der Schweiz herrscht dagegen eitel Sonnenschein für Start-ups – oder doch nicht?

Models sorgen an Betriebsfeiern für gute Stimmung. Sexuelle Belästigung durch Kollegen und Vorgesetzte. Öffentlich geäusserte Zweifel, ob weibliche Tech-Angestellte mit Männern mithalten können: Der Sexismus und die Macho-Kultur des Silicon Valley in Kalifornien sorgen für negative Schlagzeilen. Und als ob das nicht reichen würde, geraten die Valley-Konzerne jetzt auch noch wegen Datenmanipulation und Steuerschlupflöchern in die Kritik.

Macht, Gier und Frauenfeindlichkeit: In der US-Neugründerszene, wo CEOs Rockstar-Status erlangen, ist das immer wieder ein Thema. Nicht so in der Schweiz: Die hiesige Start-up-Szene macht den Anschein eines Musterschülers. Die Gründe sind vielfältig und nicht nur positiv.

Penny Schiffer, Swisscom

«Im Silicon Valley ist der Wettbewerb unter den Start-ups viel härter als in der Schweiz»

Penny Schiffer, Head of Start-up Initiatives von Swisscom

 

Swisscom StartUp Challenge 2018

Swisscom StartUp Challenge 2018

Die Swisscom StartUp Challenge findet dieses Jahr bereits zum 6. Mal in Folge statt. Es ist die exklusive Chance für Schweizer Hightech Start-ups in der Early- und Extension Stage sowie mit internationalen Wachstumsambitionen auf ein Business Accelerator Programm im Silicon Valley.

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2017 flossen knapp 14 Milliarden Dollar Risikokapital in Start-ups aus dem Silicon Valley. Laut dem letztjährigen Swiss Venture Capital Report waren es in der Schweiz 940 Millionen Franken. «Nirgends ist für Start-ups so viel Geld konzentriert wie im Silicon Valley», erklärt Penny Schiffer, Head of Start-up Initiatives von Swisscom. «Dafür ist der Wettbewerb aber auch deutlich härter als in der Schweiz». Hohe Investments steigern die Erwartungen – und somit den Druck auf die Jungunternehmer. Riesige Investitionen, immenser Druck und übersteigerte Egos sind ein explosives Gemisch – mit entsprechenden Folgen. «Wie man im Valley sehen kann, erzeugt das ein Ökosystem, das hie und da mal explodiert», erklärt Pascale Vonmont, Direktorin der Gebert Rüf Stiftung, welche die Schweizer Start-up-Szene nachhaltig mitprägt.

Deep-Tech-Nation Schweiz

Nicht nur Wettbewerb und Geld, auch die aggressive Geschäftskultur der Start-ups im Silicon Valley sind ein idealer Nährboden für Skandale. Nicht selten strotzen die Jungunternehmen vor Selbstbewusstsein. Ihre Firmen sollen so schnell wie möglich wachsen und Märkte möglichst disruptiv aufmischen. Entsprechend hoch ist die Risikobereitschaft. Penny Schiffer weiss, wohin das führt: «Die Unternehmen im Silicon Valley betreiben oft Overselling. Sie bieten ein Produkt an, das noch gar nicht existiert – und verlassen sich darauf, dass die Entwicklung im Nachhinein glückt.»

Pascale Vonmont, Gebert-Rüf-Stiftung

«Es sind bei weitem nicht alle Unternehmen im Silicon Valley in Skandale verwickelt»

Pascale Vonmont, Direktorin der Gebert Rüf Stiftung

 

Weniger Geld und etwas bescheidenere Egos. Reicht das schon, um den Unterschied zwischen der Schweiz und den USA zu erklären? Nicht ganz. Auch die Herkunft der Innovatoren und Gründer spielt eine entscheidende Rolle. Die Schweiz gilt als «Deep Tech»-Nation, in der sich Unternehmen mit wirklich einzigartigen, disruptiven und ausgereiften Technologien in einem kompetitiven Markt behaupten müssen. Und dies durchaus mit Erfolg: Im Global Innovation Index belegt die Schweiz bereits zum siebten Mal in Folge den ersten Platz.

«Schweizer Start-ups haben einen starken wissenschaftlichen Background und setzen auf innovative Technologien», erklärt Lea von Bidder, Gründerin von Ava Science, die als eine von wenigen Schweizer Frauen im Silicon Valley erfolgreich Fuss fassen konnte. Wer an einer Top-Universität ein Studium in einem MINT-Fach (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) abschliesst, dürfte von Haus aus eher seriös, nachdenklich und gewissenhaft sein.

Die Schweizer Top-Hochschulen, beispielsweise die ETH in Zürich und die EPFL in Lausanne, bieten Start-up-Gründern zudem beste Voraussetzungen, um sich erfolgreich zu behaupten. «Mehr als 60 Prozent der Studierenden in der Schweiz sind an einer Top-100-Universität eingeschrieben», betont Pascale Vonmont. «Kaum ein anderes Land erzielt einen solchen Wert.»

Lea von Bidder, AVA Women

«Schweizer Start-ups haben einen starken wissenschaftlichen Background und setzen auf innovative Technologien»

Lea von Bidder, Mitgründerin von Ava Women

 

Im Schatten von Milliardenübernahmen und märchenhaftem Reichtum geht ein Umstand gern vergessen: 90 Prozent aller Start-ups im Silicon Valley gehen innert fünf Jahren Pleite. Nicht zuletzt wegen der hohen Lebenshaltungskosten im Raum San Francisco. Das Valley verliert denn auch laufend an Popularität: «Silicon Valley is over, says Silicon Valley», titelte etwa die New York Times. «Das ist vielleicht etwas übertrieben», sagt Pascale Vonmont. «Doch wenn Investoren beginnen, das Potenzial von Städten wie Detroit oder New York zu erkunden, ist das ein Signal dafür, dass das Valley nicht mehr so attraktiv ist wie früher.»

Ob auch die aggressiven Wachstumsstrategien dazu führen, dass so viele kalifornische Start-ups zum Scheitern verurteilt sind, bleibt offen. Fakt ist: In der Schweiz überleben 50 Prozent aller Start-ups die ersten fünf Geschäftsjahre.

Die andere Realität

Die von den Medien befeuerten Skandale verstellen aber oft den Blick darauf, dass es woanders auch nicht besser ist, betont Lea von Bidder: «Zugegeben, Silicon Valley ist eine skandalträchtige Umgebung. Aber die grundlegenden Probleme sind in vielen Industrien und an anderen Standorten ebenfalls zu finden – auch in der Schweiz». So sorgte beispielsweise im «Crypto Valley» Zug das Start-up Tezos, das in einer Finanzierungsrunde 232 Millionen Dollar eingesammelt hat, für Negativschlagzeilen. Die Rekordsumme führte zu unschönen Machtkämpfen und einer Klagewelle.

Auch Pascale Vonmont bricht eine Lanze für die Start-up-Szene im Silicon Valley: «Eine Pauschalverurteilung ist nicht gerechtfertigt, es sind bei weitem nicht alle Unternehmen im Silicon Valley in Skandale verwickelt». Denn allen Sexismus-Vorwürfen zum Trotz: Laut dem «Global Gender Gap Report 2017» arbeiten nirgends so viele Frauen in technischen respektive wissenschaftlichen Berufen wie in den USA. Die Schweiz landet gerade mal auf Platz 82. Auch auf Management-Ebene findet man in den USA mehr Frauen als in der Schweiz. Kommt dazu: «Die politische Korrektheit ist in den USA oberflächlich allgegenwärtig. Nicht selten kollidiert diese aber brutal mit der Realität – was dazu führt, dass solche Vorfälle gerne ausgeschlachtet werden», so die Analyse von Pascale Vonmont.

Ob in der eher zurückhaltenden und konservativen Schweiz oder im Silicon Valley: Neugründerinnen müssen sich laut Penny Schiffer immer mächtig ins Zeug leben. «Ich bin wirklich überzeugt, dass Frauen es oft noch schwerer haben als Männer, Kapitalgeber zu finden.»

 

Die fünf grössten Skandale aus dem Silicon Valley

Google: Im Sommer 2017 veröffentlichte der Google-Mitarbeiter James Damore intern ein antifeministisches Memo: Frauen seien aus biologischen Gründen weniger geeignet für IT-Jobs als Männer. Ausserdem seien sie auch weniger stressresistent – weshalb man nach wie vor mehr Männer als Frauen in IT- und Führungspositionen vorfinde. Der Text schlug in der Presse hohe Wellen und löste hitzige Diskussionen aus – mit Folgen für Damore: Er wurde vom Konzern entlassen.

Uber: Der Fahrdienst geriet aus verschiedenen Gründen immer wieder in die Kritik: Eine furchtbare Unternehmenskultur, Sexismus- und Diskriminierungsvorwürfe und eine Klage wegen Technologie-Diebstahls drängten Uber-Chef Travis Kalanick in die Ecke. Unter massiven Druck der Investoren trat er im Juni 2017 zurück. Trotzdem sorgt das Unternehmen weiterhin für negative Schlagzeilen: Erst kürzlich starb im US-Bundesstaat Arizona eine Frau, nachdem ein selbstfahrendes Uber-Auto sie überfuhr.

Facebook: Die Analyse-Firma Cambridge Analytica steht unter Verdacht, missbräuchlich Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern verwendet zu haben, um US-Wähler mit Wahlwerbung zu beeinflussen. WhatsApp-Mitgründer Brian Acton rief die User zur Löschung ihrer Facebook-Konten auf. Zahlreiche Nutzer befolgten seinen Rat.

Intel: Forscher haben schwerwiegende Schwachstellen in aktuellen Intel-Prozessoren enthüllt. Mit den «Meltdown» und «Spectre» benannten Angriffsmethoden können Hacker Informationen abgreifen, die gerade vom Prozessor bearbeitet werden. Später wurde klar: Auch Chips anderer Hersteller – und somit praktisch alle Rechner und Smartphones – sind angreifbar. Die Hersteller arbeiten zurzeit mit Hochdruck daran, die Sicherheitslücken zu stopfen.

Apple: Seit iOS 10.2.1 hat Apple ein Akku-Management ins Betriebssystem integriert. Es drosselt die Leistung älterer Akkus, damit sie länger durchhalten. Das Problem: Apple hat das «Feature» nicht ausreichend kommuniziert – schnell kam der Verdacht auf, dass Apple seine iPhones absichtlich verlangsame, um Kunden zum Kauf eines neuen Modells zu bewegen. Apple startete daraufhin ein Akku-Austauschprogramm.

 

Titelbild: Photocase